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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
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spielen, den Bauplan dem fertigen Gebäude anzupassen, nicht aber das Gebäude nach den Vorschriften des Planes aufzurichten«.
    Die Karte, die Galilei seinen Lesern in die Hände spielt, trägt die Aufschrift »Kosmos«. Der Begriff komme von nichts anderem her als von der im Weltall herrschenden höchsten Ordnung.
    Salviati: »Nach Feststellung eines solchen Prinzips lässt sich ohne Weiteres schließen, dass, wenn die Hauptmassen des Weltalls vermöge ihrer Natur beweglich sind, ihre Bewegungen unmöglich geradlinig oder anders als kreisförmig sein können. Der Grund ist ganz einfach und liegt auf der Hand. Denn was sich geradlinig bewegt, verändert seinen Ort und entfernt sich im Fortgang der Bewegung mehr und mehr vom Ausgangspunkt und von allen im Lauf der Bewegung erreichten Punkten. Käme nun einem Körper solche Bewegung von Natur aus zu, so wäre er von Anfang an nicht an seiner natürlichen Stelle, mithin die ganze Anordnung der Teile der Welt keine vollkommene.«
    Eben noch hat er gegen Aristoteles polemisiert, nun greift Galilei auf ganz ähnliche metaphysische Konzepte zurück. Der Kunsthistoriker Erwin Panofsky vermutet, dass sich in solchen Passagen auch Galileis ästhetisches Urteil spiegelt. Galilei ist nicht bloß Wissenschaftler, in Florenz schätzt man ihn auch als Kunstkritiker. Panofsky zufolge lassen sich seine künstlerischen Auffassungen – insbesondere seine Neigung zum Purismus und zum Klassizismus – und sein wissenschaftliches Denken nicht voneinander trennen: Nur die Kreisbahn ist eine für die Himmelskörper würdige Form, die keplersche Ellipse dagegen lediglich ein deformierter Kreis.
    Die Schöpfung stellt sich Galilei etwa folgendermaßen vor: Gott lässt sämtliche Planeten von einem Punkt aus in den Kosmos fallen. Sie fliegen zuerst auf geraden Bahnen und schwenken, nachdem sie ihre Geschwindigkeiten erreicht haben, in ewige Kreisbewegungen um die Sonne ein.
    Um die Hypothese von Gottes großem Wurf zu untermauern, verweist Galilei auf die Mathematik. Er habe den Punkt berechnet, von dem aus alles begann, und dabei eine gute Übereinstimmung mit den Beobachtungen gefunden. Konkrete Ergebnisse seiner Berechnungen verschweigt er allerdings.
    Sein Hinweis aber genügt, um Generationen von Forschern nach ihm, darunter Isaac Newton, dazu zu bringen, das Urfall-Modell zu prüfen. Es könnte immerhin eine Erklärung dafür liefern, warum die Geschwindigkeiten der inneren Planeten Venus und Merkur, die eng um die Sonne kreisen, so viel höher sind als die der äußeren Planeten Jupiter und Saturn: Die ursprüngliche Fallstrecke vom Anfangspunkt der Schöpfung bis zu ihrem Bestimmungsort war länger, die Planeten wurden, gemäß dem galileischen Fallgesetz, über eine größere Distanz hinweg beschleunigt.
    In jüngerer Vergangenheit haben sich Historiker auf die Suche nach Galileis Rechnungen gemacht und sie tatsächlich in seinen Schriften entdeckt. In einem in Florenz aufbewahrten Manuskript finden sich Diagramme und Tabellen, in denen die Abstände der Planeten von der Sonne und ihre jeweiligen Umlaufgeschwindigkeiten festgehalten sind. Sie stammen aus den Jahren zwischen 1597 und 1603.
    »Die Daten, die Galilei dafür benutzt hat, sind aus Keplers Weltgeheimnis entnommen«, so der Wissenschaftshistoriker Jochen Büttner. Aber während Kepler im Weltgeheimnis an einen geometrischen Schöpfungsplan Gottes dachte, hatte Galilei einen physikalischen Schöpfungsakt im Sinn. Büttner hat die Berechnungen rekonstruiert und festgestellt, dass Galilei seine Hypothese keineswegs empirisch belegen konnte. Die vermeintlichen Fallstrecken der Planeten führen nicht zu einem gemeinsamen Anfangspunkt zurück. Von der behaupteten »guten Übereinstimmung« keine Spur. Das ist für Galilei aber kein Grund, sein hübsches Modell aufzugeben.
    Zwei Forscher, zwei Gedanken
    Das kleine Beispiel belegt, dass Galilei Keplers Forschungsarbeit vom allerersten Briefkontakt an wahrgenommen hat. Nicht von ungefähr hat er sich sämtliche Bücher Keplers kommen lassen. Sie sind eine wichtige Inspirationsquelle für ihn: hier entnimmt er einen Datensatz, dort knüpft er an die Theorie von der motorischen Antriebskraft der Sonne an, um das Wunder Joshuas – »Sonne, steh still!« – zu erklären. Selbst die von Kepler ermittelte geradlinige Kometenbahn, die so gar nicht zu Galileis himmlischen Kreisbewegungen passt, lässt eine alternative Deutung zu: Galilei verlegt die geradlinige Bahn kurzerhand in die

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