Das Weltgeheimnis (German Edition)
Prominenten-Horoskope zahllose Regeln mit kleinem Geltungsbereich: 170. »Merkur im Widder verleiht die Gabe, angenehm zu reden.« 171. »Merkur in der Waage oder im Wassermann macht so geistreich wie in keinem anderen Zeichen.«
Trotz solcher Leitsätze gibt es für ihn in der Astrologie keine einfachen Rezepte. Es genügt nicht, die Positionen der Gestirne zu kennen, um daraus Prognosen abzuleiten. Vielmehr müsse sich der Astrologe auf eine breite Erfahrungsbasis stützen und psychologische Kenntnisse in die Arbeit einbringen. Die Welt ist in Cardanos Augen ein großer Organismus, im irdischen Leben spiegelt sich das Ganze, der Makrokosmos. Auf diese Weise bindet er seine Klienten in einen kosmischen Zusammenhang ein.
Allerdings umreißt er auch die Grenzen der Sterndeuterei. »Mit Ptolemäus hielt er an der Ansicht fest, dass die Umwelt und andere Faktoren den Lauf der Dinge, so wie er vom Rat der Sterne beschlossen war, sehr wohl modifizieren und bisweilen sogar umkehren könnten«, schreibt der Historiker Anthony Grafton über ihn.
Die Astrologie, ein »närrisches Töchterlin«
Kepler teilt manches mit seinem berühmten Vorgänger. Auch er sammelt Hunderte Horoskope und lotet wie Cardano zuallererst die eigene Persönlichkeit mit den Instrumenten der Sterndeutung aus.
»Dieser Mensch hat ganz und gar eine Hundenatur«, schreibt er im Winter 1597 über sich. »I. Der Körper ist beweglich, dürr, wohlproportioniert … Er trinkt wenig. Er ist selbst mit dem Geringsten zufrieden. II. Sein Charakter ist ganz ähnlich. Zuerst macht er sich (wie ein Hund bei den Hausgenossen) beständig bei den Vorgesetzten beliebt, in allem ist er von andern abhängig, ist ihnen zu Diensten, wird gegen sie nicht wütend, wenn er getadelt wird, auf jede Art sucht er sich wieder auszusöhnen … Er ist ungeduldig in der Unterhaltung … Äußerste, ungezügelte Unbesonnenheit wohnt in ihm, natürlich von Merkur im Quadrat zu Mars, dem Mond im Trigon zu Mars.«
Im Unterschied zu Cardano schätzt er die Bedeutung der Sterndeutung allerdings viel geringer ein als die der Astronomie. »Es ist wol diese Astrologie ein närrisches Töchterlin … Aber lieber Gott, wo wolt ihre Mutter die hochvernünftige Astronomie bleiben, wann sie diese ihre närrische Tochter nit hette? Ist doch die Welt noch viel närrischer …«, hält er in seiner Schrift Tertius Interveniens fest. Das Honorar der Astronomen sei so gering, »dass die Mutter gewisslich Hunger leyden müste, wann die Tochter nichts erwürbe«.
Die Astrologie ist Keplers täglich Brot. Sie stärkt seine Position als Mathematiker, der sich zeit seines Lebens in einer noch kaum institutionalisierten Wissenschaft durchschlagen muss.
»Dass sich Kepler in Graz immer noch gezwungen sah, Horoskope zu erstellen, obwohl Kopernikus das Wissen um die Struktur des Kosmos bereits revolutioniert hatte, bedeutet lediglich, dass der Beginn der modernen Wissenschaft weder durch einen radikalen Bruch noch durch eine plötzliche Erleuchtung erfolgt ist«, schreibt der italienische Historiker Eugenio Garin.
Der Prozess, in dem die moderne Forschung zu sich selbst fand, ist langwierig und keineswegs linear verlaufen. Im Rückblick erscheint vieles geradezu widersprüchlich. So bekämpfen Kepler und Galilei den Aberglauben, erstellen jedoch selbst Horoskope. Sie führen heftige Auseinandersetzungen mit der aristotelischen Schulphilosophie und halten in vielen Punkten an derselben fest. Sie versuchen, eine Einheit von Physik und Astronomie herzustellen und sind blind für wegweisende physikalische Konzepte des jeweils anderen. Genauso bezeichnend wie ihre großartigen Erkenntnisse ist ihr Scheitern gerade in dem, was sie selbst für ihre größten Errungenschaften halten.
Gottes geometrischer Schöpfungsplan
Auch ihre Konflikte mit der Kirche und ihre gleichzeitige Treue zum christlichen Glauben gehören in dieses Spannungsfeld. Beide stehen in einer Geistestradition, der zufolge der Schöpfer seinen Willen in zwei Büchern dargelegt hat: in der Bibel und im »Buch der Natur«. Während die Bibel spätestens mit der Reformation vieldeutig geworden ist und in ganz Europa der Streit um ihre richtige Auslegung tobt, sehen Kepler und Galilei ihre Aufgabe als Mathematiker darin, das »Buch der Natur« als eigenständiges Werk zu deuten. Je weiter sie bei ihrer Erforschung der Natur von der Schulphilosophie abrücken, umso stärker entfernen sie sich auch von der traditionellen Interpretation
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