Das Weltgeheimnis (German Edition)
zahllose Berechnungen widmet. Wenn die vier Monde so präzise wie die Zeiger einer Uhr um den Planeten laufen, könnte diese Himmelsuhr zu einer wichtigen Navigationshilfe für die Seefahrt und zu einer Methode der Bestimmung der Längengrade werden.
Wieder einmal treffen sich Galileis wissenschaftliche und seine ökonomischen Interessen. Zwar kann er die Früchte seiner Beobachtungen in diesem Fall nur teilweise selbst ernten, aber der Däne Ole Römer setzt seine akribischen Messungen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fort. Römer macht dabei eine phantastische Entdeckung: dass sich das Licht nicht unendlich schnell ausbreitet, sondern eine begrenzte Geschwindigkeit hat, die Lichtgeschwindigkeit.
Der Abstand zwischen Erde und Jupiter verändert sich im Jahresgang der Planeten um die Sonne. Mal verringert sich ihre Distanz, dann wird sie wieder größer. Damit variiert auch die Zeit, die das Licht braucht, um vom Jupiter aus zur Erde zu gelangen. Römer misst diese Schwankungen und ermittelt aus ihnen die Lichtgeschwindigkeit. Er macht sich zunutze, dass die vier kleinen Monde zu exakt vorhersagbaren Zeitpunkten in den Schatten des großen Planeten Jupiter eintreten. Galilei kann diese Entwicklung zwar nicht vorhersehen, aber sein methodisches Vorgehen und sein Bemühen um präzise Messungen sind auch an dieser Stelle wegweisend.
Abschied von Venedig
Neben den nächtlichen Sitzungen vor dem Fernrohr versäumt es Galilei nicht, Teleskope an Fürsten und Kardinäle zu schicken, deren Verbindungen ihm bei seiner Bewerbung nützlich sein könnten. Er lässt Keplers Gutachten zirkulieren und bekommt mit Rückendeckung aus Prag am 10. Juli 1610 endlich die ersehnte Zusage des toskanischen Großherzogs. Galilei darf das akademische Umfeld in Padua gegen das Hofleben in Florenz eintauschen, das seine Vorstellungswelt von Kindesbeinen an geprägt hat. Schon sein Vater Vincenzo hat Musik im Auftrag der Medici komponiert, jener Fürstenfamilie, die seit Jahrhunderten in der Toskana regiert und deren Wappen die Portale zahlloser Paläste und Plätze in Florenz schmücken. Von nun an wird Galileo Galilei als ihr Hofphilosoph firmieren.
Er verlässt die freie Republik Venedig, deren Geschäftigkeit seine bisherige Karriere nachhaltig geprägt hat. In den zurückliegenden Jahren hat er seine mechanischen Experimente zu einer umfassenden Bewegungslehre ausbauen können und grundlegende Prinzipien der Fall- und Wurfbewegung erkannt. In Venedig hat er viele technische Neuerungen für sich entdeckt, hat nach dem Verfahren »trial and error« immer wieder neue Anläufe genommen. Jetzt, da sich einer dieser Versuche bezahlt macht, verabschiedet er sich von der Universität Padua, die sein Gehalt als Professor gerade erst verdoppelt hat.
Der Politiker und Gelehrte Paolo Sarpi, der einer seiner wichtigsten Gesprächspartner bei den Fallexperimenten gewesen ist und sich auch beim Bau des Fernrohrs für Galilei stark gemacht hat, ärgert sich über dessen Abgang. Ihm ist schon übel aufgestoßen, dass Galilei im Sternenboten niemanden erwähnt, der ihm geholfen hat.
Aus den Briefen seines langjährigen Freundes Giovanni Francesco Sagredo dagegen spricht aufrichtiges Bedauern. Er befürchtet, Galilei könnte am Hof der Medici zum Opfer von Intrigen derer werden, die ebenfalls um die Gunst des Fürsten buhlen: »Ihr seid jetzt in Eurem edlen Vaterland«, schreibt er nach Florenz. »Ihr dient jetzt Eurem natürlichen Fürsten, einem großen, tugendhaften, jungen Mann mit einzigartigen Anlagen; aber hier hattet Ihr über diejenigen zu gebieten, die anderen Befehle erteilen, und brauchtet niemandem zu dienen außer Euch selbst, gerade so wie ein Herrscher des Universums.« Zwar gäben Tugend und Großherzigkeit des Fürsten Cosimo Anlass zur Hoffnung, dass Galileis Verdienste auch in Florenz gewürdigt und belohnt würden. »Doch wer kann sich auf dem tosenden Meer des Hofes sicher sein, nicht von den heftigen Stürmen der Eifersüchte, ich sage nicht, in den Untergang gerissen, aber wenigstens hin und her geworfen und aus der Ruhe gebracht zu werden?«
Sagredo glaubt nicht, dass Galilei in Florenz mit mehr Ruhe arbeiten kann. Und es beängstigt ihn regelrecht, dass sein Freund nun im direkten Einflussbereich Roms und der Jesuiten lebt. Wird er in Florenz nicht irgendwann zwangsläufig in Konflikt mit der Kirche geraten?
Genau wie Sarpi und viele andere Venezianer ist Sagredo ein politisch denkender Kopf. Sein
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