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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
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später ebenso korrigieren wie Keplers Himmelsphysik. Er wird die Arbeiten beider Forscher in einer neuen Theorie zusammenführen und erweitern, weil er ihren inneren Zusammenhang erkennt: Die gekrümmte Parabel- oder Ellipsenbahn kommt durch eine Beschleunigung zustande, also durch eine Kraft, die den fliegenden Körper fortwährend von der ansonsten geradlinigen Bewegung ablenkt, ob diese Kraft nun von der Erde oder von der Sonne herrührt. Wie Newton selbst sagt, steht er mit dieser Einsicht auf den Schultern von Riesen.
    Die keplersche Wende
    Die beiden einäugigen Riesen füllen ihre jeweiligen Lücken mit Spekulationen. Kepler etwa ist von den von ihm eingeführten Kräften selbst nicht bis ins Letzte überzeugt. Wo seine Erklärungen ins Stocken geraten, sieht er die künftigen Herausforderungen an die Wissenschaft. Sein größtes Verdienst ist, dass er den Planeten in seiner Neuen Astronomie als erster Forscher keine Kreise oder Kugelschalen mehr zuweist, sondern freie Bahnen: die keplerschen Ellipsen.
    Der Mathematiker David Fabricius drängt ihn zwar dazu, die Ellipsen wieder fallen zu lassen. Fabricius möchte die Marsbahn weiterhin nach herkömmlicher Art durch eine Kombination von Trägerkreisen und Epizyklen darstellen, wie Kepler dies über lange Zeit hinweg selbst getan hat. Doch jetzt, nachdem er das ganze Drama tausendfach durchgespielt hat, kommt Kepler diese Argumentation als schiere Dogmatik vor: »Wenn Ihr aber von den Komponenten der Bewegung redet, so redet Ihr von etwas Gedachtem, das heißt, von etwas, was in Wirklichkeit nicht da ist. Denn nichts läuft am Himmel um, außer dem Planetenkörper selber, keine Bahn, kein Epizykel; das müsst Ihr ja wissen, der Ihr in die Astronomie Tychos eingeweiht seid«, schreibt er Fabricius im August 1607. »Hält man nun also an der Grundannahme fest, dass sich nichts bewegt außer den Planetenkörpern, so fragt es sich, was für eine Linie beim Umlaufen des Körpers entsteht. Darauf antworte ich nicht in hypothetischer Form, sondern aufgrund eines von geometrischen Beweisen gestützten Wissens.«
    Die Ellipse als solche ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Kepler hat die Schwelle zu einer neuen mathematischen Sprache überschritten. Regierten bis dahin einzig und allein Kreise am Himmel, sollen künftig auch weniger vollkommene, den Beobachtungen aber adäquate geometrische Formen und Gleichungen erlaubt sein.
    Mit dieser epochalen Erkenntnis eröffnet Kepler der astronomischen Wissenschaft völlig neue Dimensionen. Das Kreismodell war bis zuletzt an mechanische Vorstellungen gekoppelt, an den Kosmos als Uhrwerk zum Beispiel oder an die Hypothese, dass miteinander verbundene, kristallene Kugelschalen die Planeten tragen. Eine Bewegung der Planeten auf Ellipsenbahnen fordert ein Umdenken in der Physik geradezu heraus. Genau wie die Wurfparabel kann auch die Ellipse in neuer Weise als zusammengesetzte Bewegung verstanden werden.
    Die weitere Entwicklung der Astronomie hätte sich ohne Keplers Entdeckung womöglich um ein ganzes Jahrhundert verzögert. »Tatsächlich sind die Ellipsen Keplers viel revolutionärer für die Geschichte der Astronomie gewesen als die Heliozentrik des Kopernikus«, schreibt der Philosoph Jürgen Mittelstraß. Er spricht daher von einer »keplerschen Wende« statt von einer »kopernikanischen«.
    Zumindest einige Zeitgenossen erkennen das innovative Potenzial der keplerschen Astronomie ziemlich schnell. Am 6. Februar 1610 schreibt der Brite William Lower an seinen Freund Thomas Harriot, er lese Keplers Buch mit großem Vergnügen, auch wenn dieser ihn mit seinen Äquanten und Epizyklen zur Verzweiflung bringe. Er träume manchmal sogar schon davon. Zwei Mal habe er das Buch bereits überflogen, nun sei er dabei, die Rechnungen im Einzelnen nachzuvollziehen.
    Lower stößt sich an manchem Rechenfehler, ansonsten ist er voll des Lobes. Ihm gefällt, dass Kepler alle Bewegungen auf die Sonne bezieht und nicht wie Kopernikus auf den gedachten Mittelpunkt der Erdumlaufbahn, besonders aber, dass er die Astronomie der Kreise überwindet.
    Der Brite hat eine ausgezeichnete Idee, in welche Richtung sich Keplers Theorie weiterentwickeln könnte: »Seine elliptische Planetenbahn scheint mir einen Weg aufzuzeigen, die unbekannten Wanderbewegungen der Kometen aufzuklären.« Denn während Keplers Ellipse im Fall der Erde fast kreisrund sei, beim Mars schon etwas gestreckter und länger, könnte sie für einige Kometen eine über weite

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