Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
Vom Netzwerk:
vierunddreißig Zimmern, reich gefüllt mit seltenen Schätzen und aufmüpfigem Personal? Und wie viele Gewächshäuser benötigte eine einzelne Botanikerin, um ihre Moosstudien zu treiben? Diese letzte Frage zumindest ließ sich ganz leicht beantworten: nicht eines. Und doch gehörte ihr das alles.
    Nachdem der Notar sich verabschiedet hatte, machte sich Alma, überwältigt und voller Selbstmitleid, auf die Suche nach Hanneke de Groot. Sie sehnte sich nach dem Trost der vertrautesten Person, die ihr auf dieser Welt noch geblieben war. Sie fand die alte Hauswirtschafterin aufrecht im großen, erloschenen Kamin in der Küche stehend, wo sie mit einem Besenstiel im Schornstein herumstocherte, um ein Schwalbennest zu beseitigen, und sich dabei einem Regen aus Ruß und Dreck aussetzte.
    »Das kann doch sicher jemand anders für dich machen, Hanneke«, sagte Alma anstelle einer Begrüßung auf Holländisch zu ihr. »Ich rufe eines der Mädchen.«
    Verdrießlich und verdreckt kroch Hanneke aus dem Kamin hervor. »Glaubst du, die hätte ich nicht schon gefragt?«, brummte sie. »Aber welcher der anderen Christenmenschen hier im Haus würde denn freiwillig den Kopf in den Schornstein stecken, wenn nicht ich?«
    Alma brachte Hanneke ein feuchtes Tuch, damit sie sich das Gesicht säubern konnte, und die beiden Frauen setzten sich an den Küchentisch.
    »Ist der Notar schon wieder fort?«, fragte Hanneke.
    »Schon seit fünf Minuten«, sagte Alma.
    »Das ging ja schnell.«
    »Es war auch keine komplizierte Sache.«
    Hanneke runzelte die Stirn. »Dann hat er also alles dir hinterlassen?«
    »Allerdings«, sagte Alma.
    »Und Prudence nichts?«
    »Gar nichts«, sagte Alma und registrierte, dass Hanneke sich nicht nach ihrem eigenen Erbteil erkundigt hatte.
    »Dann soll ihn der Teufel holen«, sagte Hanneke nach kurzem Schweigen.
    Alma fuhr zusammen. »Sei barmherzig, Hanneke. Mein Vater ist noch keinen Tag unter der Erde.«
    »Und ich sage, ihn soll der Teufel holen«, wiederholte die Hauswirtschafterin. »Der Teufel soll ihn holen, den sturen alten Sünder, dass er seine zweite Tochter so missachtet.«
    »Sie hätte doch ohnehin nichts von ihm angenommen, Hanneke.«
    »Wer weiß, Alma, ob das wirklich so gewesen wäre! Sie ist Teil dieser Familie oder sollte es zumindest sein. Deine Mutter, Gott hab sie selig, wünschte, dass sie Teil der Familie ist. Ich gehe davon aus, du wirst nun selbst für Prudence Sorge tragen?«
    Alma war verblüfft. »Wie soll ich das denn anfangen? Meine Schwester hegt kaum einmal den Wunsch, mich zu sehen, und sie lehnt alle Geschenke ab. Nicht einmal einen Kuchen zum Tee kann ich mitbringen, ohne dass sie mir zu verstehen gibt, das sei zu viel. Du wirst doch nicht im Ernst glauben, sie würde zulassen, dass ich das Vermögen unseres Vaters mit ihr teile?«
    »Sie ist wahrhaftig ein stolzes Geschöpf«, sagte Hanneke und klang dabei mehr bewundernd als besorgt.
    Alma versuchte, das Thema zu wechseln. »Wie soll es nun hier auf White Acre werden, Hanneke, ganz ohne meinen Vater? Ich habe kein Verlangen danach, das Anwesen ohne ihn zu führen. Es ist, als wäre diesem Haus sein großes, lebendiges Herz entrissen.«
    »Ich werde nicht erlauben, dass du deine Schwester missachtest«, fuhr Hanneke fort, als hätte Alma kein Wort gesagt. »Es mag ja noch angehen, dass Henry sich vom Grab aus so dumm und selbstsüchtig versündigt, aber es geht ganz und gar nicht an, dass du im Leben dasselbe tust.«
    Alma war empört. »Ich suche Trost und Rat bei dir, Hanneke, und du willst mich nur kränken.« Sie stand auf, als wollte sie aus der Küche gehen.
    »Nun setz dich wieder, Kind. Ich will niemanden kränken. Ich will dir nur sagen, dass du tief in der Schuld deiner Schwester stehst und dass du dafür sorgen solltest, diese Schuld zu begleichen.«
    »Ich stehe doch nicht in der Schuld meiner Schwester.«
    Hanneke hob die immer noch rußschwarzen Hände. »Bist du denn wirklich so blind, Alma?«
    »Falls du auf den Mangel an Zuneigung anspielst, der zwischen mir und Prudence herrscht, dann bitte ich dich, Hanneke, die Schuld daran nicht ausschließlich bei mir zu suchen. Der Fehler lag ebenso sehr bei ihr wie bei mir. Wir beide haben unsere gegenseitige Gesellschaft nie allzu sehr geschätzt, und seit vielen Jahren ist sie es, die mich auf Abstand hält.«
    »Ich spreche nicht von schwesterlicher Zuneigung, Kind. Es gibt viele Schwestern, die einander keine große Wärme entgegenbringen. Ich spreche von Opfern.

Weitere Kostenlose Bücher