Das Wesen. Psychothriller
Menkhoff.
»Das ist kein Mist, Herr Menkhoff, es geht mir darum, Sie zu warnen, denn das, was Nicole damals getan hat, kann jederzeit wieder passieren. Ich möchte einfach verhindern, dass dann vielleicht wieder ein Unschuldiger eingesperrt wird, denn im Gegensatz zu dem, was Sie denken, bin ich kein psychopathischer Mörder. Und damit Sie verstehen, wie ernst es mir damit ist, kommt jetzt der Teil, den Sie vielleicht als interessant bezeichnen würden.« Er atmete ein paarmal tief durch, bevor er weitersprach. »Diese ganze Geschichte mit meiner angeblich entführten Tochter habe ich erfunden und selbst eingefädelt.«
»Was?«, rief ich, während Menkhoff ein undefinierbares Geräusch von sich gab.
»Warten Sie«, sagte Lichner schnell, »lassen Sie es mich erklären. Herr Hauptkommissar, was hätten Sie getan, wenn ich nach meiner Entlassung zu Ihnen ins Polizeipräsidium spaziert wäre und Ihnen gesagt hätte: ›Nicole hätte zugegeben, dass sie Juliane Körprich umgebracht hat?‹«
Ohne lange darüber nachzudenken, sagte Menkhoff: »Ich hätte Sie rausgeschmissen.« Ich wusste, das hätte er getan.
Lichner nickte heftig. »Das hätten Sie, ganz sicher. Und wenn ich Ihnen gesagt hätte, es gäbe Unterlagen, die beweisen, dass Nicole ein ernsthaftes psychisches Problem hat? Und dass nicht auszuschließen ist, dass sie so was wieder tut?«
»Vielleicht hätte ich Ihnen die Zähne ausgeschlagen, wer weiß.«
»Ja, wer weiß. Ich hätte jedenfalls keine Chance gehabt, Sie dazu zu bringen, sich Nicoles Krankengeschichte auch nur anzusehen.«
»Und was hat das mit dieser angeblichen Entführung Ihrer angeblichen Tochter zu tun?«, wollte ich wissen.
»Als mir klarwurde, wie groß die Gefahr ist, die von Nicole ausgeht, habe ich nur eine Chance gesehen: Ich musste dafür sorgen, dass Sie selbst darauf kommen. Ich musste Sie also dazu bringen, sich wieder mit mir
und
mit ihr zu beschäftigen. Aber ich wusste auch, dass Sie es sofort durchschauen würden, wenn ich das zu plump anstellen würde. Als Markus Diesch in meine Zelle verlegt wurde und mir erzählte, er sei Krankenpfleger und habe viele Jahre auf einer Geburtsstation gearbeitet, habe ich zuerst wie alle anderen meine Witze darüber gemacht. Dann kam mir aber eine verrückte Idee, und im Laufe der Zeit reifte sie zu einem Plan. Ich hatte ja viel Zeit, darüber nachzudenken. Ich habe also so was wie eine Notbremse konstruiert, die ich nur dann einsetzen wollte, wenn ich aufgrund von Nicoles Verhalten der Meinung war, dass es gefährlich wird. Ich wusste, wenn jemand
mich
der Kindesentführung beschuldigt, würden Sie sofort anspringen. Nun konnte ich natürlich nicht wirklich ein Kind entführen. Andererseits würden Sie das Interesse schnell wieder verlieren, wenn sich herausstellte, dass es gar kein Kind gab. Also musste es laut Melderegister ein Kind geben, worauf Sie sich stürzen konnten, wobei sich später natürlich herausstellen musste, dass es fingiert ist.«
»Wollen Sie damit sagen, dieser Diesch hat schon vor zwei Jahren den Datenbankeintrag und die Unterlagen gefälscht, nur, damit Sie
jetzt
diese Nummer abziehen können?«
»Oh nein, ich habe mit keinem Wort Markus Diesch beschuldigt. Ich habe nur gesagt, dass
jemand
das getan hat. Ich werde auch nicht sagen, wer es war.«
»Darüber reden wir noch«, knurrte Menkhoff. »Weiter.«
»Das habe ich damals nicht in die Wege geleitet, um
jetzt
diese Nummer abzuziehen – um in Ihrem Sprachgebrauch zu bleiben. Dieses kleine Täuschungsmanöver wollte ich in dem Moment einsetzen, wenn es nötig wird – und jetzt
ist
es nötig geworden, leider Gottes. Sie entgleitet mir. Ich merke, dass man mit reiner Therapie nichts mehr bei ihr tun kann.« Er hielt kurz inne. »Nicole Klement muss in eine geschlossene Abteilung, wo sichergestellt ist, dass sie nichts anrichten kann. Dass ich sie nicht mehr einweisen kann, dafür haben Sie ja vor vielen Jahren gesorgt. Aber es hätte mich auch ehrlich gesagt überrascht, wenn Sie das gleich auf Anhieb verstanden hätten.«
»Wenn Sie schon wieder anfangen, unverschämt zu werden –«
»Kurz nachdem ich entlassen wurde, habe ich die Wohnung in der Zeppelinstraße gemietet. Ich kann Ihnen noch nicht mal genau sagen, warum ich das getan habe. Ich denke, ich wollte einfach nicht, dass meine wahre Adresse auf gefälschten Papieren auftaucht. Außerdem hat das die Sache für Sie noch mysteriöser gemacht. Und die monatliche Miete dort geht gegen
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