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Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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man bei ihm wohl keine normalen Maßstäbe ansetzen, wenn es um Nicole Klement ging. Ich setzte mich ins Auto und rief im Büro an. Nach zweimaligem Läuten hob Menkhoff ab. »Guten Morgen«, sagte ich verhalten. »Ich bin’s, Alex. Ich steh vor deinem Haus.«
    »Ja, tut mir leid. Ich bin seit sechs Uhr wach und hab einen Scheißkater. Ich hab’s zu Hause nicht mehr ausgehalten und bin gleich los, als Frau Christ kam. Ich wollte so früh nicht bei euch anrufen.«
    »Alles klar, ich bin gleich da.« Erleichtert legte ich auf und fuhr los.
    Man sah ihm an, dass er eine kurze Nacht und mehr Alkohol als ich gehabt hatte. Seine Haut sah fahl aus, und die sonst nur leichten Tränensäcke unter seinen Augen waren dunkel und ausgeprägt. Noch bevor ich meinen Computer anschaltete, sagte ich: »Bernd, wegen gestern Abend … Ich würde mich gern nochmal mit dir darüber unterhalten.«
    Er sah von seinem Schreibtisch auf. »Warum? Wir haben ziemlich unterschiedliche Vorstellungen, Alex, und ich möchte mir so was nicht anhören. Ich kenne Nicole, du kennst sie nicht.«
    »Aber das, was in diesen Berichten steht, hast auch du nicht gewusst, Bernd.«
    Er schlug mit der flachen Hand auf die Schreibtischplatte. Es gab einen Knall, den man in allen Büros der Mordkommission hören musste. »Ja, verdammt, das stimmt, und ich kann sogar verstehen, dass sie nichts davon erzählt hat, nachdem ich das gestern Abend gelesen habe. Sie versucht wahrscheinlich einfach, diesen Dreck irgendwann zu vergessen und ein halbwegs normales Leben zu führen. Das versucht sie vielleicht schon, seit sie ein kleines Mädchen war. Ich habe Nicole jahrelang erlebt, ich weiß, was ihr zuzutrauen ist und was nicht. Und ich sage dir, was immer dir da im Kopf rumspukt, ist Blödsinn.«
    Es war wie ein Fluch. Er schaffte es immer wieder, mich zu verunsichern, und nicht zum ersten Mal überlegte ich, ob das wohl an den Argumenten lag, die er anbrachte oder eher an seiner Person. Aber ich wollte mich dieses Mal nicht von ihm unterbuttern lassen. »Und das Foto von Juliane Körprich in ihrer Wohnung, Bernd? 15 Jahre nachdem das Mädchen umgebracht worden ist? Und dass Nicole behauptet, diese Mädchen zu
beschützen
? Welche Erklärung hast du dafür?«
    Er atmete tief ein, doch anstatt mich anzubrüllen, hielt er die Luft einen Moment an und stieß sie dann geräuschvoll aus. Und mit diesem lauten Ausatmen sackte er in sich zusammen. Innerhalb weniger Sekunden verwandelte Bernd Menkhoff sich vom lautstarken Verteidiger zu einem Mann, der verletzlich wirkte, fast schon bemitleidenswert. »Ich weiß es nicht, Alex. Das lässt mir seit letzter Nacht auch keine Ruhe mehr. Ich glaube nicht, dass Nicole zu etwas … Schlimmem fähig ist, aber … ach verdammt, ich
weiß
es einfach nicht.«
    »Liebst du sie noch?«
    Er sah mir in die Augen, und ich sah die Verzweiflung in seinem Gesicht. »Nein«, sagte er leise. »Ich habe mir diese Frage selbst gestellt, und ich bin sicher, das ist vorbei. Ich liebe meine Frau. Aber verantwortlich fühle ich mich trotzdem noch für Nicole.«
    Menkhoff tat mir leid, und ich hatte nur eine vage Vorstellung davon, was in ihm vorgehen musste. »Was willst du jetzt machen?«, fragte ich und hoffte, er würde nicht wieder versuchen, mir einzureden, alles sei in Ordnung.
    »Nochmal mit Lichner reden. Ich trau diesem Kerl einfach nicht. Diese Geschichte mit seiner angeblich entführten Tochter, dann Nicoles Krankenakte … Ich hab ein verdammt komisches Gefühl bei der Sache.«
     
    Wir verzichteten darauf, Lichners Telefonnummer ausfindig zu machen und ihn anzurufen. Menkhoff hielt es für besser, ihn nicht vorzuwarnen.
    Auf der Fahrt nach Kohlscheid unterhielten wir uns darüber, welchen Zweck wohl Lichners vergammelte Wohnung in der Zeppelinstraße haben konnte, aber keiner von uns hatte auch nur ansatzweise eine Idee. Ihn danach zu fragen würde mit ziemlicher Sicherheit lediglich eine weitere unverschämte Antwort zur Folge haben, das war uns klar.
    Um kurz vor halb zehn klingelten wir an Lichners Tür. Er war zu Hause. Wenn Menkhoff gehofft hatte, ihn überraschen zu können, so sah er sich getäuscht.
    »Ah, da sind Sie ja«, sagte er, als er die Tür öffnete. »Kommen Sie rein.« Die Begrüßung machte mich ebenso stutzig wie die Tatsache, dass er dabei sein unverschämtes Grinsen nicht zeigte. »Was heißt hier:
Da sind Sie ja?
« Mein Kollege versuchte erst gar nicht, freundlich zu klingen.
    »Das heißt, dass man keine

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