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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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kam kein Gespräch zustande, und der junge Mann kehrte mit einem ungeduldigen Achselzucken zu seiner Zeitung zurück.
    Noch einmal – das letztemal, er wußte es – dachte er an die Ereignisse der vergangenen Monate zurück. An die Schlacht bei Brunete, wo ihn der Splitter verwundet hatte; an das Erwachen in einem spanischen Lazarett nach Tagen der Bewußtlosigkeit. Verschwommene Eindrücke von Schmerzen und Übelkeit, von fremden Stimmen und Gesichtern. Sie hatten ihn in einen Sanitätswagen gebracht. Er erinnerte sich, wie das Fahrzeug über das holprige Gelände gerumpelt war. Ihr Ziel war das amerikanische Krankenhaus in Madrid gewesen, doch sie hatten sich verfahren und waren in nationalistisches Gebiet geraten. Sowohl der Fahrer des Sanitätswagens als auch die beiden Sanitäter und die vier Verwundeten im Wagen waren gefangengenommen worden. Zuerst hatten sie ihn gezwungen, zu Fuß zu gehen, und er war blind über steinige Erde gestolpert, dann hatten sie ihn in einen Lastwagen geworfen. Er war zusammen mit einem Dutzend anderer Mitglieder der Internationalen Brigaden in einem nationalistischen Gefängnis gelandet.
    Er sagte den Männern, mit denen er gefangen gewesen war, im Geist ein letztes Mal Lebewohl. Denen, die an Krankheit oder Verletzung gestorben waren, und denen, die aus ihren Zellen geschleppt und erschossen worden waren. Denen, die gestorben waren, weil sie sich geweigert hatten, die Seiten zu wechseln und für die Faschisten zu kämpfen, und denen, die gestorben waren, weil sie das falsche Gesicht gemacht oder das falsche Wort gesagt hatten. Er betrachtete dies alles ein letztes Mal, und dann packte er es weg, weil er wußte, daß er es nicht mehr ertragen konnte, es anzusehen. Er würde mit keinem über Spanien sprechen, nicht einmal mit Robin.
    Auf der Fähre blieb er an Deck und ließ sich von dem feinen Gischt besprühen. Acht Monate lang hatte er nicht mehr an eine Zukunft geglaubt; er hatte sich an diese Ungewißheit gewöhnt und war nicht mehr fähig zu planen. Flüchtig erfaßte ihn ein heftiger Zorn darüber, daß er das verloren hatte, was ihm einst kostbar gewesen war. Er konnte seine rechte Hand noch einigermaßen bewegen, aber nicht geschickt genug, um mit einer Kamera umzugehen. Er verspürte einen kurzen bitteren Schmerz, dann verflog beides, der Schmerz und der Zorn. Alles, was vor seiner Gefangennahme gewesen war, erschien ihm unwirklich – wie ein Spiel beinahe, an dem er für kurze Zeit teilgenommen hatte. Er konnte nicht wieder der werden, der er vorher gewesen war. Er wußte, als er es sich vorstellte, daß er den Lärm und die Hektik Londons nicht mehr würde ertragen können. Er würde nur dort langsam wieder gesund werden, wo Stille und offenes Land war. Er sehnte sich wie nie zuvor nach dem Dorf, in dem er geboren war. Er dachte, daß er wahrscheinlich am Ende genau das tun würde, was er unbedingt hatte vermeiden wollen – seinem Vater bei der Führung der Spinnerei zu helfen. Es schien ihm nicht schlechter als alles andere. Sein Bedürfnis, in der Mitte des Treibens zu sein, war verschwunden und würde nie wiederkehren. Er würde zufrieden sein, am Rand zu stehen, ein Zuschauer.
    Der Mann von der Quäkerorganisation hatte ihm nach einer Durchsicht seiner Listen mitgeteilt, daß Robin Spanien im vergangenen September verlassen hatte. Er brauchte das Hügelland und die kalte frische Luft, am meisten aber brauchte er Robin. Als er seine Augen schloß und sich vorstellte, daß er sie vielleicht in weniger als einem Tag in den Armen halten würde, mußte er weinen.
    Tagsüber konnte sich Robin nicht auf ihre Arbeit konzentrieren, und nachts konnte sie nicht schlafen. Jeden Moment erwartete sie Joe. Morgens, wenn sie aus dem Haus ging, schrieb sie ihm jedesmal einen Zettel, um ihn wissen zu lassen, wo sie war. Sie ließ die Tür unverschlossen, da sie wußte, daß er keinen Schlüssel haben würde. Am 12. März marschierten deutsche Truppen in Österreich ein. Die Furcht, von der Robin einmal geglaubt hatte, nur sie verspürte sie, war jetzt in den Augen jedes Vorübergehenden zu erkennen. Die Spannung war beinahe greifbar, und sie wußte, daß die Weigerung der Menschen, über die Situation in Europa zu sprechen, jetzt der Angst zuzuschreiben war und nicht selbstzufriedener Teilnahmslosigkeit. Dennoch konnten die Schlagzeilen der Zeitungen sie nicht mehr erschrecken. Sie wartete auf Joe – sie lebte in einem Schwebezustand qualvoller Ungeduld und Euphorie –, und

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