Das Winterhaus
Wetter sind sie sicher drinnen« und klopfte an die Haustür.
Eine grauhaarige Frau in einer geblümten Kittelschürze machte auf. »Mrs. Merchant!« Lächelnd trat sie zur Seite, um Maia und Robin einzulassen. »Wir haben schon angefangen, uns Sorgen zu machen – dieses schreckliche Wetter!«
»Ich wurde aufgehalten, Mrs. Fowler. Das ist eine Freundin von mir, Miss Summerhayes. Robin, ich möchte dich mit Mrs. Fowler bekannt machen.«
Sie gaben einander die Hand und tauschten ein paar Worte, aber als Robin in dem kleinen Vestibül stand, bemerkte sie, daß Maia sich umsah, als suchte sie etwas.
Oder jemanden. »Sie ist in der Küche«, sagte Mrs. Fowler. »Wir backen gerade einen Kuchen zum Tee.«
Maia lächelte und winkte Robin, ihr zu folgen. Die Zimmer des Häuschens waren klein und gemütlich, die Möbel alt und behaglich. Maia öffnete die Küchentür.
Ein kleines Mädchen stand am Tisch. Robin schätzte sie auf sechs oder sieben Jahre. Auch sie trug eine Schürze, und ihre Hände waren voller Mehl. Als sie Maia sah, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Mit einem seltsamen heiseren Schrei lief sie stark hinkend durch die Küche und warf sich Maia in die Arme.
Ein hübsches kleines Mädchen. Schwarzes Haar, Zahnlücken, wenn sie lachte, und helle blaue Augen, genau wie Maias. Ungewöhnliche Augen, eine ungewöhnliche Farbe.
Robin blickte schnell von Maia zu dem Kind und verstand plötzlich fast alles.
»Sie ist deine Tochter«, sagte sie.
Maia, die immer noch das kleine Mädchen in den Armen hielt, lächelte und sagte zu dem Kind: »Maria – schau in Mamis Tasche.« Sie klopfte auf ihre Ledertasche.
Maria hockte sich auf den Boden und versuchte ungeschickt mit einer Hand den Verschluß der Tasche zu öffnen. Maia kniete auf dem Steinboden nieder und öffnete ihr die Tasche.
»Maria ist sieben Jahre alt.« Maia sah zu Robin hinauf. »Du hast recht, sie ist meine Tochter.«
Maria zog ein kleines Päckchen aus der Handtasche und stieß wieder den heiseren Schrei aus, als sie es triumphierend hochhielt, um es Maia zu zeigen.
»Ja, Schatz. Das hast du gut gemacht.«
Das Kind riß die Verpackung auf. Ein Beutel Süßigkeiten, ein Haarband und eine Schachtel Buntstifte fielen zu Boden. Robin fühlte sich benommen und atemlos, als hätte ihr jemand einen heftigen Schlag vor die Brust versetzt.
»Wenn es Ihnen recht ist, mache ich jetzt den Tee, Mrs. Merchant«, sagte Mrs. Fowler. »Und Maria und ich backen den Kuchen fertig. Ich habe im Wohnzimmer Feuer gemacht.«
Im Wohnzimmer lockerte Maia die Kohlen mit dem Schürhaken und bat Robin, sich zu setzen. »Dir ist sicher aufgefallen«, sagte sie dann, »daß Maria ein bißchen anders ist als andere Kinder ihres Alters.«
Robin dachte an den hinkenden Gang des Kindes, sein ungeschicktes Bemühen, mit einer Hand die Handtasche seiner Mutter zu öffnen.
»Sie hat eine linksseitige Lähmung, kann das sein? Und –«, sie sah Maia an, und zum erstenmal seit Jahren tat sie ihr leid, »– sie kann nicht sprechen.«
»Maria ist stark schwerhörig. Sie hört es, wenn ein Teller zu Boden fällt, aber sie kann nicht hören, wenn ich ihren Namen sage. Sie spricht überhaupt nicht.«
»Sie ist ein ganz entzückendes kleines Mädchen, Maia«, sagte Robin zartfühlend.
»Oh, ich weiß. Aber zuerst war ich da ganz anderer Meinung. Ich war wütend, als ich merkte, daß ich von Vernon schwanger war. Ich habe es als seine Rache gesehen. Als wollte er mich vom Grab aus noch quälen.«
Draußen war der Wind heftiger geworden und schleuderte den Regen gegen die Fensterscheiben. Das Feuer im Kamin brannte warm und freundlich.
»Daß ich schwanger war, merkte ich ungefähr zu der Zeit, als die amtliche Untersuchung über Vernons Tod stattfand. Ich hatte mich schon wochenlang krank und erschöpft gefühlt, aber ich war überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, daß es an einer Schwangerschaft liegen könnte. Meine Periode war nie sehr regelmäßig, also habe ich darauf gar nicht geachtet. Ich war ziemlich unerfahren und hatte wenig Ahnung.« Maia lächelte. »Ich hatte mich immer als so welterfahren gesehen, aber in Wirklichkeit war ich reichlich naiv.«
Es klopfte, und Mrs. Fowler kam mit dem Teetablett herein. Als sie wieder gegangen war, fügte Maia hinzu: »Sobald ich wußte, was los war, wollte ich abtreiben. Die Vorstellung, schwanger zu sein, war schlimm genug – aber dann auch noch von ihm, das war unerträglich. Gleich nach der Leichenschau bin
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