Das Winterhaus
entwürdigend, aber er brauchte diese Entwürdigung. Seine erste Erfahrung mit körperlicher Liebe machte er im Krieg, mit einer Prostituierten. Ich vermute, das hat alles, was später kam, beeinflußt.«
Robin fröstelte. Maias Ton war nüchtern und distanziert, als spräche sie von etwas, das einer anderen passiert war. Aber sie erinnerte sich, wie sie Maia damals im Garten getroffen hatte, die eine Hälfte des schönen Gesichts völlig verunstaltet.
»Er hat mich geschlagen, Robin. Erst glaubte ich, er täte es, um mich zu zwingen, das zu tun, was er wollte, aber dann habe ich gemerkt, daß er es tat, weil es ihm Vergnügen bereitete. Er hat es genossen. Und er hat mich vergewaltigt. Auch weil es ihm Vergnügen bereitet hat. Ich glaube, Sex ohne Gewalt konnte er gar nicht genießen. An manches, was er mich zu tun gezwungen hat, kann ich heute noch nicht denken. Die Erniedrigung – die Entwürdigung ich fühlte mich so ohnmächtig.«
Maia schaltete vor einer Kurve herunter. »Kurz und gut, ich dachte, ich könnte es aushalten, aber dann wurde mir klar, daß das unmöglich war. Ich habe mich furchtbar gefühlt – krank und völlig erschöpft. Ich wußte, daß ich es nicht länger ertragen konnte. Da bin ich nach London gefahren. Ich wollte zu dir, aber du warst verreist. Als ich nach Cambridge zurückkam, fiel mir ein, daß ich die Weihnachtsfeier für das Personal der Firma vergessen hatte. Ich kam viel zu spät. Ich wußte, daß Vernon mich dafür bestrafen würde.«
Regen prasselte auf die Windschutzscheibe. Beinahe wider Willen fragte Robin: »Und da hast du ihn getötet?«
Maia lachte. »Liebe Robin, immer so direkt.« Sie lenkte den Wagen an den Straßenrand, hielt an und zog die Handbremse. Dann holte sie ihr Zigarettenetui und ihr Feuerzeug aus ihrer Handtasche. Als sie die Zigarette angezündet hatte, sagte sie: »Ich habe immer wieder und immer wieder darüber nachgedacht. Ich hätte es beinahe geschafft, mir einzureden, daß es ein Unfall war; daß er auf der Treppe ausgerutscht ist, weil er betrunken war, oder daß ich gegen ihn gestoßen bin, weil ich Angst hatte, und er das Gleichgewicht verlor. Aber ich weiß, daß es so nicht war.« Sie senkte die Lider und sagte gedankenverloren: »Es war in gewisser Weise so einfach, die Hand zu heben und ihn zu stoßen. Er wäre vielleicht sowieso gestürzt. Wenn er nicht betrunken gewesen wäre, hätte ich es nicht geschafft. Er war sehr kräftig, weißt du, und ich war immer schon ziemlich schmächtig.« Maia warf Robin einen Blick zu. »Ja, ich habe es getan. Ich sah eine Chance, freizukommen, und ich habe sie ergriffen. Ich wußte, daß man mir niemals etwas nachweisen könnte. Ich habe ihm einen Stoß gegeben und zugeschaut, wie er die Treppe hinuntergestürzt ist, und ich sage es dir ehrlich, Robin – ich war nur erleichtert.«
Maia hatte die Augen geschlossen. Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück. »So einfach«, sagte sie wieder.
In der Stille hörte Robin das Trommeln des Regens auf dem ledernen Verdeck des Wagens. Schließlich sagte sie: »Wenn du das Hugh erklärt hättest, hätte er es vielleicht verstanden.«
»Vielleicht. Wer weiß?« Maia öffnete die Augen, kurbelte ihr Fenster herunter und warf ihre Zigarette hinaus.
»Du hast also gar nichts erklärt.«
»Ich bin noch nicht fertig.« Maia ließ den Motor wieder an. »Wir sind fast da. Nur noch ein paar Kilometer.«
Sie hatten die Grenze nach Hampshire überfahren und schlängelten sich durch ein Gewirr schmaler, kurviger Sträßchen inmitten großer Buchenwälder. Der Wind blies die nassen, kupferfarbenen Blätter von den Zweigen; sie setzten sich auf die Windschutzscheibe des Wagens.
Sie kamen an zwei Torhäuschen vorüber, die einander an einem breiten schmiedeeisernen Tor gegenüberstanden. In der Ferne konnte Robin ein großes georgianisches Haus erkennen.
Dann wieder Wald, alte Bäume, deren Äste über der Straße ein Dach bildeten. Zwischen Buchen und Erlen sah Robin ein Haus, Backstein, ein rot gedecktes Dach mit Mansardenfenster. Maia bremste ab.
»Es war ein Försterhaus.« Sie hielt den Wagen vor dem Tor an. »Ich habe es vor einigen Jahren gekauft. Die Familie, der das Gut gehört, mußte ein paar Morgen Land verkaufen, um die Steuern bezahlen zu können.« Sie stieg aus dem Wagen und öffnete das Tor. Robin folgte ihr, steif von der langen Fahrt.
Der schmale Kiesweg war von Buchenhecken gesäumt, der Vorgarten von Lorbeerbüschen umfaßt. Maia sagte: »Bei dem
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