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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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für diese Villa musste ein Vermögen kosten.
    Marek bemerkte die fragenden Blicke seiner Freunde. »Das ist nicht wirklich mein Haus«, erklärte er. »Ich habe es vorübergehend geliehen.«
    Â»Geliehen?« Enrique zog ungläubig die Augenbrauen hoch.
    Â»Nun ja, die Eigentümer verbringen einen Teil des Jahres in ihrer Villa in der Karibik«, erklärte Marek. »Und bei der Hausmeisterfirma, die hier nach dem Rechten sieht, arbeitet ein Freund von mir. Er ist für dieses Haus zuständig und hat mir als kleine Gefälligkeit eine Kopie der Schlüssel gemacht.«
    Enrique war immer noch skeptisch. »Er lässt dich hier wohnen wegen einer kleinen Gefälligkeit ?«
    Â»Na ja, sie war nicht so ganz klein«, räumte Marek ein. »Ich habe seine Tochter aus einer heiklen Situation gerettet, und er wollte sich gerne dafür revanchieren. Seitdem wohne ich mal hier, mal da.« Er grinste. »Aber immer in gehobenen Verhältnissen.«
    Sie betraten das Gebäude und gelangten in einen breiten Flur, von dem mehrere Türen abgingen. Eine davon führte in einen großen Wohnraum, in dessen Mitte sich eine Sitzgruppe aus blauem Leder befand. Gemälde an den Wänden, Kommoden aus edel lackiertem Holz und Multimediageräte der neuesten Generation – hier gab es nichts, was man in einem normalen Möbel- oder Elektromarkt gefunden hätte.
    Marek geleitete Viktor zu einem der Sessel. Astarte verschwand in der Küche, um Viktor ein Glas Wasser zu holen. Enrique zog die Vorhänge vor die hohen Fenster. Ihm gefiel die Situation nicht. Sie mussten so schnell wie möglich von hier verschwinden. Er traute es de Moulinsart zu, dass der Viktor eher umbringen würde, als ihn noch einmal in die Hände seines Rivalen fallen zu lassen.
    Er winkte Marek, ihm in die Küche zu folgen.
    Â»Bist du sicher, dass wir hier heute Nacht nicht gestört werden?«
    Â»Mein Bekannter sagt mir immer rechtzeitig Bescheid, bevor die Inhaber zurückkommen«, antwortete Marek. »Bis morgen können wir auf jeden Fall bleiben.«
    Astartes erregte Stimme unterbrach ihr Gespräch, und sie eilten zurück ins Wohnzimmer.
    Sie stand direkt vor Viktor Vau. »Die Sicherheitsdienste wollen Ihre Aufzeichnungen unbedingt in die Hand bekommen! Meinen Sie, die wollen das, um damit Gutes zu tun?«
    Â»Aber was können sie damit schon machen?«, erwiderte Viktor, der ebenso überrascht von Astartes Ausbruch war wie Enrique und Marek. »Mein Notizbuch enthält ein rein theoretisches Konstrukt. Mit meiner Sprache lässt sich überhaupt nichts anfangen in dieser Gesellschaft.«
    Â»Ach.« Astarte beugte sich vor. »Wie theoretisch Ihr Konstrukt ist, das haben wir ja bei Ihren Patienten gesehen. Oder wollen Sie die Änderungen abstreiten, die sich an ihnen beobachten ließen, nachdem Sie sie in Ihrer Sprache trainiert haben?«
    Viktor schüttelte den Kopf. »Es ist doch ein Unterschied, ob ich in einem hermetisch abgeriegelten Bereich im begrenzten Rahmen mit Begrifflichkeiten meiner Sprache operiere oder im gesellschaftlichen Raum.«
    Â»Aber wie es aussieht, wird jemand Ihre Sprache zur gesellschaftlichen Norm machen. Und das geht nur, weil er Zugang zu Ihrem Notizbuch hatte. Wenn Sie Ihre Aufzeichnungen den Sicherheitsdiensten ausliefern, dann legen Sie damit die Grundlage für das, was Ihnen widerfahren ist. Es gibt nur eine Möglichkeit: Sie müssen das Wörterbuch vernichten!«
    Viktor senkte den Kopf und antwortete nicht. Das Schweigen zog sich in die Länge, und Enrique fragte sich schon, ob er vielleicht eingeschlafen sei, als er wieder aufblickte.
    Â»Vielleicht ist Ihre Position richtig, Astarte«, sagte er mit leiser Stimme. »Vielleicht ist die Menschheit für das, was ich herausgefunden habe, noch nicht reif. Vielleicht wird sie nie dafür reif sein.«
    Viktor nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas und rieb sich die Augen.
    Â»Und trotzdem denke ich nach wie vor, dass es einen anderen Weg geben muss. Ich bin nicht bereit, mein Lebenswerk zu vernichten.«
    Es war Enrique, der das erneute Schweigen brach.
    Â»Die große Ironie dieser ganzen Affäre liegt darin, dass zwar alle hinter Professor Vaus Wörterbuch her sind – aber die meisten aus den falschen Gründen.«
    Die anderen drei starrten ihn an.
    Â»Was meinst du damit?«, fragte Astarte mit einem misstrauischen

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