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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Astarte heraus.
    Jetzt war es an Viktor, sie verständnislos anzustarren.
    Â»Sie spricht von der Zeit, aus der sie kommt«, erklärte Enrique, ohne Astarte anzublicken.
    Â»Die Zeit, aus der sie kommt?«
    Â»Astarte stammt aus der Zukunft. Und Sie haben recht, Professor, ich habe Ihnen etwas vorgespielt. Denn ich stamme ebenfalls aus der Zeit, die noch kommen wird.«
    4.
    Für einen Augenblick herrschte Stille.
    Viktors Blick wechselte von Enrique zu Astarte.
    Â»Ihr kommt wirklich aus der Zukunft?« Marek hielt es vor Aufregung nicht mehr auf seinem Sitz. »Ihr kommt aus einer Zeit, die unserer weit voraus ist? Das ist … nicht möglich.«
    Niemand erwiderte etwas.
    Â»Mann, ist das verrückt! Dann erzählt doch, wie ist das Leben so? Wie sieht eure Technik aus? Was …«
    Â»Halt«, unterbrach Enrique ihn. »Wenn wir damit anfangen würden, säßen wir in einer Woche noch hier. Ich verstehe deine Neugier, aber du musst dich noch etwas gedulden.«
    Mareks Enttäuschung war ihm deutlich anzumerken. »Wer weiß, was später ist«, brummte er.
    Â»Ich würde auch gern etwas über Ihre Zeit erfahren«, pflichtete ihm Viktor bei. »Vor allem, wenn es stimmt, dass Sie wirklich meine Sprache sprechen.«
    Â»Das tun wir, Professor Vau«, erwiderte Enrique. »Die von Ihnen entwickelte Sprache wird, wie Sie inzwischen wissen, die Grundlage einer einheitlichen Weltsprache sein.«
    Â»Leider«, fügte Astarte hinzu. »Denn diese Weltsprache hat zu einer völligen Mechanisierung des Lebens geführt. Sie selbst haben ja betont, wie rational und eindeutig sie ist. Aber haben Sie einmal die Konsequenzen bedacht, die sich daraus ergeben? Nicht nur für Ihre Patienten, sondern für die gesamte Menschheit?«
    Â»Das habe ich«, erwiderte er mit leiser Stimme. »Aber ich hätte mir nie vorstellen können, dass es einmal Realität wird. Ist es denn wirklich so schlimm? Oder richtiger: Wird es so schlimm werden?«
    Â»Astarte hat recht, was die Auswirkungen Ihrer Sprache angeht«, bestätigte Enrique. »Ich habe bis vor einem halben Jahr nicht gewusst, welche Freude es machen kann, Dinge nur vage oder gar nicht benennen zu können. Es ist für mich wie eine völlig neue Welt, in der ich eine Seite an mir entdecke, von der ich nicht wusste, dass ich sie besitze.«
    Â»Also ist es wahr. Meine Sprache erstickt die Kreativität. Glauben Sie mir, das war nie meine Absicht.« Viktors Stimme klang fast flehend.
    Â»Aber Ihnen war klar, welche Gefahr Ihre Sprache birgt?«, fragte Astarte.
    Viktor nickte müde.
    Â»Seit vielen Tausend Jahren tobt, von den meisten Menschen unbemerkt, ein erbitterter Kampf um die Zukunft der Menschheit. Es ist ein Kampf, der sich im Stillen abspielt und keine Zeugen hat. Man hört ihn nicht, man sieht ihn nicht, man bemerkt ihn nicht einmal. Und das, obwohl er sich in jedem von uns abspielt.«
    Â»Der Kampf zwischen den beiden Gehirnhälften«, sagte Astarte.
    Marek machte ein verdutztes Gesicht. »Soll das ein Witz sein?«
    Â»Leider nein«, erwiderte Viktor und schüttelte traurig den Kopf. »Auch ich bin erst sehr spät auf diese furchtbare Wahrheit gestoßen. Es ist fast wie im Leben. Zwei sollen gleichberechtigt zusammenarbeiten, und dann entschließt sich einer, dass ihm das nicht mehr genügt, und will die Macht an sich reißen.«
    Â»Und das passiert bei uns im Kopf?« Marek strich sich mit beiden Händen langsam über die Schläfen, so als könne er auf diese Weise etwas davon spüren, wovon Viktor erzählte.
    Viktor nickte. »Bereits seit vielen Jahrhunderten. Und inzwischen hat sich die linke Gehirnhälfte zum Machthaber über die rechte aufgeschwungen und sie sich untertan gemacht. Unser gesamtes Denken und Handeln wird von der engen, selbstbezogenen Logik der linken Gehirnhälfte gesteuert. Wettbewerb und Vereinzelung haben über Empathie und Gemeinsamkeit gesiegt. Und das nicht erst seit heute.
    Der Philosoph Heidegger beklagte bereits im frühen zwanzigsten Jahrhundert den Triumph der linken über die rechte Hemisphäre. Er meinte, wir seien gefangen in einem Rausch, Projekte, Abgrenzungen und Strukturen zu schaffen, bei dem wir uns und unsere Umwelt zerstören und alles in eine Ressource verwandeln, die es lediglich auszubeuten gilt. Wörtlich sagte er: Die Natur ist ein gigantisches

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