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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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dann die Menge, setzen Sie das Medikament aber nur im äußersten Notfall ganz ab.«
    Astarte nickte. »Okay, das habe ich verstanden.«
    Â»Zahlen, Christian.« Viktor winkte dem Kellner, der umgehend zum Tisch kam, und drückte ihm einen Schein in die Hand. »Stimmt so.«
    Â»Vielen Dank, Herr Professor.« Der Kellner verneigte sich und verschwand. Astarte blickte ihm nachdenklich nach. Irgendetwas an ihm gefiel ihr nicht. Was genau, wusste sie nicht zu sagen. Sie hatte das Gefühl, dass sich in ihm eine gewisse Arroganz verbarg, die nicht zu seinem devoten Äußeren passte.
    Â»Nun, damit ist wohl alles besprochen«, unterbrach Viktor ihre Gedanken. Er schob ihr die Dokumentenmappe hin und stand auf. Astarte hätte sich gerne noch ein wenig mit ihm unterhalten, aber Viktor war nun einmal nicht der Typ für Plaudereien. Jetzt, da er die fachlichen Anweisungen gegeben hatte, verwandelte er sich wieder in den etwas ungelenken Wissenschaftler, der sich im Leben nicht wirklich zu Hause fühlte.
    Sie nahm die Mappe und erhob sich ebenfalls. »Dann wünsche ich Ihnen eine gute Reise.«
    Viktor ergriff ihre Hand und schüttelte sie kurz. »Danke. Und vergessen Sie nicht, alles zu protokollieren. Vielleicht ergibt sich auch eine Gelegenheit zum Telefonieren.«
    Â»Sind Sie denn erreichbar?«, fragte Astarte.
    Â»Sie können mir auf meine Mailbox sprechen oder Mails schicken.« Einen Moment lang schien er verwirrt. »Entschuldigen Sie mich bitte.«
    Er ging hinüber zum Tresen, wo Christian, der Kellner, mit unbewegter Miene Bons sortierte. Die beiden unterhielten sich einige Zeit. Offenbar kannten sie sich gut, was nur verständlich war, wenn Viktor Vau seit Jahren jeden Tag hierherkam. Andererseits wunderte sie sich, dass der sonst so menschenscheue Gelehrte so viel Zeit für den Kellner aufbrachte. Was mochte es mit ihm Wichtiges zu besprechen geben?
    Schließlich kam Viktor zu ihr herüber und sie verließen gemeinsam das Büro. Er hielt ihr die Tür auf und blieb auf dem Bürgersteig stehen. »Ich muss jetzt in diese Richtung«, sagte er und deutete nach links.
    Er machte einen verlorenen Eindruck auf Astarte. Sie wusste nicht viel über Vau, aber ihr war klar, dass er so gut wie kein Privatleben besaß. An sieben Tagen in der Woche war er in der Klinik, oft vom frühen Morgen bis in den späten Abend. Er war besessen von seiner Arbeit. Oder war diese Besessenheit einfach nur eine Flucht? Aber vor was? Konnte sein Widerwillen vor dem alltäglichen Leben so groß sein, dass er sich ihm durch diese Arbeitswut entzog?
    Sie hätte ihn am liebsten in den Arm genommen, aber das kam natürlich nicht infrage. Stattdessen verabschiedete sie sich noch einmal von ihm. Er schien erleichtert, als ihr Telefon klingelte, und nutzte den Moment, um zu verschwinden.
    5.
    Astarte und Enrique warteten beim Ausgang der Metrostation am alten Gaswerk auf Marek. Es war ein sonniger Herbstnachmittag. Enrique fragte sich nicht zum ersten Mal, was Marek den ganzen Tag trieb und wieso er, obwohl er keiner regelmäßigen Arbeit nachging, zu jeder Verabredung mindestens zehn Minuten zu spät kam.
    Astarte wollte sie einer Freundin von ihr vorstellen. Einer, das hatte sie versprochen, mit der man hervorragend diskutieren könnte.
    Enrique trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Er fand, sie sah noch attraktiver aus als bei ihrem letzten Treffen. Sie trug einen gerade geschnittenen schwarzen Rock, lachsfarbene Segelschuhe und einen lachsfarbenen Pullover. Ihre Haare hatte sie im Nacken zusammengebunden.
    Â»Nun bleib doch mal einen Moment still stehen. Du machst mich ganz nervös«, lächelte sie.
    Nervös war er in der Tat, dachte Enrique. Was war mit dieser Frau, dass sie solch eine Wirkung auf ihn hatte?
    Â»Wie hast du diese Thura eigentlich kennengelernt?«, fragte er. Thura war der Name ihrer Freundin, die sie gleich besuchen wollten.
    Â»Das war kurz nach meiner Ankunft in der Stadt«, erklärte Astarte. »Ich war auf der Suche nach einem preiswerten Sprachkurs und bin dabei auf sie gestoßen.«
    Â»Sie ist Sprachlehrerin?«
    Â»Nein«, lachte Astarte. »Thura ist Buchhändlerin. Aber eine ganz besondere.«
    Im selben Augenblick trat Marek aus der Metro. Er trug heute ein Jackett über einem roten Sweatshirt und sah mit seinen langen Haaren, die ihm verwegen in die Stirn fielen, wie ein

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