Das Wolkenpferd
Trenngitter zwischen den Boxen, nimmt im Geiste Maß. Die Gitter sind hoch - ob sie darüber klettern kann? Wenn die Stangen nun unter ihr zusammenbrechen?
Egal. Sie hat keine Wahl.
„Ich klettere hoch", verkündet sie entschlossen. „Und werde über das Gitter in ihre Box springen."
„Nein!"
Die Kinder schreien durcheinander.
„Du brichst dir die Beine!"
„Turki tritt nach dir!"
Hanna zögert. Wahrhaftig, sie ist keine Heldin. Es ist zu gefährlich, die Mädchen haben Recht. Doch dann fängt Hanna Türkis verzweifelten Blick auf, und der sagt: „Spring ... und hilf mir!"
Und plötzlich hat nur noch Turki Recht. Schon steht Hanna in der leeren Nachbarbox, steigt auf den gemauerten Futtertrog und zieht sich am Eisengitter hoch.
„Ganz ruhig, Turki", murmelt sie, dann lässt sie sich von oben neben die Stute in die Box fallen.
Mit beiden Händen umfasst Hanna die dicken Schweifhaare von Turki und zieht mit aller Kraft daran. Ein paar Zentimeter rückt Türkis Hinterteil zur Seite, der Pferdekörper gleitet gut auf dem glatten Stroh. Noch ein Stück. Auf Hannas Stirn bilden sich Schweißperlen. Das ist echte Schwerstarbeit. Ein paar Zentimeter noch, dann könnte es gehen. Atemlos beobachten die Kinder von außen die Rettungsaktion. Vor lauter Anspannung presst Franziska die Arme vor den Mund. Nicht auszudenken, wenn das Pferd jetzt schlägt.
Turki schnaubt aufgeregt, als sie merkt, dass sie wieder Platz hat. Hastig macht Hanna ein paar Schritte zur Tür. Wild rudert Turki mit den Hufen. Einmal rutscht sie noch aus. Dann springt die Stute endgültig auf die Beine und schüttelt sich prustend.
Geschafft!
„Du bist wirklich eine Heldin, Hanna", flüstert Franziska voller Andacht durch die Boxentür.
Hanna wird rot und versteckt ihr Gesicht in Türkis Mähne. Eine Heldin ... wie das klingt.
Aber es stimmt, sie hat sich getraut. Sie allein hat das Pferd gerettet.
Und alle haben es gesehen ...
Eine Chance für Blesi
Richtig verwegen sieht Blesi, der Isländer aus, wenn der Bergwind seine dichte Mähne zerzaust. Dabei war es noch vor einem Jahr sehr fraglich, ob der prächtige Fuchs dieses Jahr überhaupt noch erleben würde.
Was war geschehen?
Es war eine von jenen Pferde-Tragödien gewesen, wie sie sich jeden Sommer auch auf anderen Weiden abspielen.
Beim Gerangel miteinander waren die Pferdefreunde zu ruppig gewesen - Blesi hatte einen Tritt gegen sein Sprunggelenk bekommen. Während bei uns Menschen so eine
Verletzung gut behandelt werden kann, ist das bei Pferden fast unmöglich. Ein gebrochenes Bein oder Gelenk bedeutet fast immer das Todesurteil.
Blesis Besitzerin Nina wusste das auch. Trotzdem wollte sie es einfach nicht wahrhaben. Blesi sollte eingeschläfert werden? Dieser liebenswerte Kerl, der - bis auf die Verletzung -vor Gesundheit strotzte? Der das raue Bergklima und die Weiden der Vogesen so liebte? Blesi, der auf Turnieren immer zu den besten zählte? Blesi, der wegen seiner Schönheit auf Ausstellungen gezeigt wurde?
Nein! Nina setzte alle Hebel in Bewegung, um ihrem verletzten Pferd zu helfen.
Aber trotz ständiger Behandlung war es nicht zu übersehen, wie schlecht es Blesi ging. „Unheilbar", hieß es.
Gab es wirklich keine Chance?
Fast schien es so. Doch als Nina nach dem letzten Arztbesuch vor Blesi stand und in seine entschlossenen Augen sah, da wusste sie: Blesi selbst gab sich nicht auf. Ein Blick in sein Gesicht genügte, um zu wissen: Hier steht einer, der durchhält. Ein Kämpfer. Einer, der sich keineswegs für unheilbar hält.
Nina beschloss: Wir versuchen es weiter.
An manchen Tagen, an denen sie die Zuversicht fast verloren hatte, war es Blesi, der ihr Mut machte. Dann rieb er seine Nase an Ninas Arm und stupste sie ermutigend an: „Ich schaff das schon ..."
Wenn Blesi so viel Zutrauen zu seiner Kraft hatte, musste man es versuchen!
In einer berühmten Klinik wurde er schließlich operiert. Ob Blesi danach wirklich wieder der Alte sein würde, konnte keiner Voraussagen. Zu schwer war die Verletzung am Sprunggelenk.
„Es hängt davon ab, ob jemand Blesi zu der schmerzhaften Krankengymnastik überreden kann", sagte der Tierarzt.
Nina hatte eine Idee: Die Isländer-Trainerin Andrea, die Blesi vor acht Jahren ausgebildet hatte, war damals seine beste Freundin gewesen. Jetzt zeigte sich, wie wertvoll die alte Freundschaft war. Andrea ließ ihren vierbeinigen Freund nicht im Stich.
Nach der Operation kümmerte sie sich sofort um den schönen Isländer.
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