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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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zwischen den großen Mutterschiffen dahin, oft nur von einem einzigen heftigen Flügelschlag angetrieben. Die Männer und Frauen, die sie steuerten, schienen sehr genau zu wissen, wie sie durch ein winziges Manöver die Auf- und Abwinde im Tal für sich nutzen konnten.
    Und das habe ich gekonnt?, überlegte er abermals fassungslos. Der Gedanke war viel zu abwegig, als dass er ihn ernsthaft in Erwägung ziehen konnte. Vielleicht hatte sich der Wächterdr a che getäuscht. Oder der Seelenschlund log sie an.
    » Sie haben uns entdeckt «, sagte die Stimme Lis. » Springt ab, wenn ihr hierbleiben wollt. Ich verschwinde. «
    » Verschwinden? «, stieß Feiqing aus. » Aber du … du bist der Seelenschlund! Was können sie dir schon anhaben? «
    » Ein vollgefressener Seelenschlund «, bemerkte Wisperwind, packte Feiqing am Arm und zerrte ihn mit sich die Wölbung des Kopfsegments hinab. Seitlich rutschten si e a m Chitin hinunter, glitten zwischen langen Insektenbeinen hindurch und landeten am Boden – Feiqing äußerst unsanft. Er machte seiner Emp ö rung in einem Schwall wüster Flüche Luft, doch Wisperwind beachtete ihn nicht.
    » Danke «, rief sie in Richtung des Riesentausendfüßlers, vers i cherte sich, dass ihr Schwert sicher in der Rückenscheide steckte, dann gab sie Feiqing einen Wink. » Dort entlang! «
    » Ins Tal? «, fragte er ungläubig.
    » Wohin sonst? «
    » Vielleicht in Sicherheit? «
    » Wir sind hergekommen, um mit ihnen zu reden. «
    » Das war, bevor wir sie gesehen haben. «
    Ungeduldig schüttelte sie den Kopf, ergriff seinen Arm und zog ihn mit sich. » Schnell! «
    » Aber warum – « Die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er sah, wie die Formation der zwei Dutzend Luftschlitten auf sie zuschoss. Es erschien ihm am sichersten, sich unter dem Chitinkö rper des Seelenschlunds zu verstecken, aber Wispe r wind rettete ihm das Leben, als sie ihn zurückriss – denn im selben Moment setzte sich der Riesentausendfüßler in Bew e gung. Tonnenschwere Segmente wälzten sich herum und rieben über den Felsboden . Mächtige Insektenbeine stampften kreuz und quer, während Li sich bemühte, ihre Schritte zu koordini e ren. Und als sich das Ungeheuer endlich von der Stelle bewegte, sah Feiqing, dass dort, wo die Chitinpanzer den Boden berührt hatten, der Fels zu Sandkrumen zermahlen worde n w ar. Hätte er selbst sich dort aufgehalten, wäre nichts von ihm übrig gebli e ben.
    Während sich der Seelenschlund daran machte, den Rückzug von der Bergkuppe anzutreten, wieder nach Süden, zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren, zog Wisperwind Feiqing mit sich nach Norden, den Hang hinab ins Tal. Es gab dort keine Bäume, zwischen denen sie hätten Schutz suchen können, nur hüfthohes Buschwerk, das gegen Blicke aus der Luft keinen Schutz bot.
    » Wohin … willst … du? «, keuchte er, während er sich alle Mühe gab, in keine der tückischen Spalten zwischen Felsen und Geröll zu treten.
    » Weg von ihm. « Der Boden erbebte noch immer unter den trommelnden Schritten des Tausendfüßlers. » Er wird wissen, warum er vor ihnen flieht. Und wenn sie ihn einholen, will ich nicht in ihrer Reichweite sein. Und nicht in seiner. «
    Feiqing wollte ebenso wenig unter ihm zerquetscht werden wie sie, trotzdem erschien es ihm unklug, noch tiefer in das menschenleere Tal hinabzusteigen. Dort unten lagen die ovalen Schatten der Luftschiffkolosse wie schwarze Seen in der Einöde. Die kleineren Schatten der Einmannschlitten rasten wie Ame i sen zwischen ihnen umher . Am Grunde dieses Tales mochte es kein Leben geben, und doch war es derart von Bewegung erfüllt, dass Feiqing allein vom Anblick schwindelig wurde.
    » Wir hätten trotzdem auf der anderen Seite des Berges bleiben solle n «, stieß er atemlos aus.
    » Und dann? « fuhr Wisperwind ihn an. » Eine halbe Ta gesreise bis zum nächsten Wald. Unterwegs hätten sie uns auf jeden Fall eingeholt. «
    » Aber hier unten ist nichts! «, keifte er.
    » Doch. « Sie deutete auf den nächsten großen Luftschiffscha t ten, keine hundert Schritt vor ihnen. Er gehörte zu einem Koloss, der am linken Rand des Tales schwebte. Aber weil die Sonne bereits so niedrig im Westen stand, lag der Schatten viel weiter östlich.
    Der finstere Fleck musste einen Durchmesser von vierhundert Metern haben, vielleicht noch mehr. Kein perfektes Versteck, ganz sicher nicht, aber zumindest waren sie im Schatten nicht auf Anhieb zu entdecken, wenn sie sich tief genug

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