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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Paare, eines nach dem anderen, in die Gemächer der Frauen geführt. Es überraschte Caitlin nicht, daß Dyffeds Sachen bereits weggeräumt worden waren und nun Kenels an ihrer Stelle dort lagen. Auch Brans Wiege war verschwunden – man hatte sie, dem Brauch gemäß, für die nächsten Tage in die Kinderstation gebracht.
    Die beiden jungen Leute, die nun zum ersten Mal allein zusammen waren, schauten einander verlegen an. Dann ergriff Kenel Caitlins Hand zärtlich.
    »Ich weiß, wie sehr du Dyffed liebst«, begann er zögernd. »Und für mich gilt das gleiche; ich könnte mir nie vorstellen, je eine andere als Cassie zu lieben.« In seinen Augen standen Tränen, und seine neue Jahresbraut wußte keinen Grund, warum sie ihre Tränen jetzt noch länger verbergen sollte.
    So kam es, daß beide jeweils ein Paar starker Arme fanden, in denen jeder den Verlust des Geliebten beweinen konnte. Und irgendwann in dieser Festnacht, noch bevor die blutrote Sonne aufging, fanden in dem Verlangen nach Trost und Beistand auch ihre Körper zusammen. Und sie begriffen. So war es immer, und so würde es immer sein.

DEBORAH WHEELER
     
    Die Bewahrerin
     
    Wie es der Zufall so will, handelten gleich mehrere von den vielen Geschichten, die ich dieses Jahr erhielt, von Varzil, der den Beinamen ›der Gute‹ trägt – eine Figur, die ich selbst in Die Zeit der hundert Königreiche verwendete und auf die ich vielleicht eines Tages wieder zurückgreifen werde. Drei der Geschichten habe ich schließlich für diese Anthologie ausgewählt.
    Deborah ist eine der ersten Autorinnen, die ich entdeckt habe, und außerdem eine der besten. Sie lebt in Südkalifornien, zusammen mit einem Rolfing-Therapeuten, einem Doktor der Laserspektroskopie sowie Sarah und Rose, die ich beide zu meinen ›Ehrenenkelinnen‹ ernannt habe. Ihr SF-Romane Jaydium erschien im Mai 1993.
    Ich rechne es mir als Ehre an, Deborahs erste Geschichte abgedruckt zu haben; inzwischen hat sie zahlreiche Veröffentlichungen vorzuweisen. Und darauf bin ich nicht weniger stolz, als wenn ich diese Geschichten selber geschrieben hätte.
     
     
     
    Als sich der Leichenzug langsam auf Hali zubewegte, dachte Asharra Alton, daß es keinen merkwürdigeren Tribut und geeigneteren Platz für Varzil den Guten gäbe als diesen geheimnisvollen Wolkensee, den er selbst geschaffen hatte. Die Hälfte der Türme Darkovers hatte ihre Bewahrer entsandt, um Varzil zu ehren, und jetzt trugen sie zu dem feierlichen, gemessenen Rhythmus der Totenklage seinen in Seide gehüllten Leichnam an jenen ehrwürdigen Ort, den rhu fead, wo seine sterblichen Überreste zusammen mit den anderen heiligen Grabbeigaben bis zum Ende der Zeit ruhen sollten. Einige ließen ihren Tränen freien Lauf, andere verbargen ihren Schmerz hinter versteinerten Gesichtern. Die meisten der großen Lords hatten ihre Fehden für die Zeit der Trauer ausgesetzt. Mit seiner Weisheit hatte Varzil sie alle bewegt – er hatte nicht nur die Wunden des Kriegs und Chaos geheilt, sondern auch die verheerenden Auswirkungen des großen Kataklysmus, der den See zerstört hatte, behoben.
    Ich hätte nicht geglaubt, daß ich ihm so bald nachfolgen sollte. Asharra hüllte sich noch tiefer in ihr Trauergewand, als sie auf der ihr angemessenen Position als Unterbewahrerin des Turm von Neskaya in der Prozession entlangschritt. Die meisten hielten sie für ein zierliches Wesen, kaum größer als ein Kind, mit zarten Gesichtszügen und Augen, die so blaß waren, daß sie fast farblos wirkten. Aber Varzil hatte hinter der zerbrechlichen äußeren Erscheinung ihre wahre Natur erkannt. »Körperlich magst du klein sein, aber dein Geist ist reinstes blaues Feuer«, hatte er ihr erklärt, als sie das erste Mal nach Neskaya kam.
    Als Asharra sich jetzt wieder daran erinnerte, stolperte sie auf dem matrixgeglätteten Pflaster. Ihr Herz quoll über vor Schmerz – eine Last, die zu schwer war zu ertragen. Doch dieser Anflug von Schwäche verging rasch. Asharra konnte sich auf die Ausbildung stützten, die Varzil ihr, und nur ihr allein, erteilt hatte, damit sie ihr Versprechen erfüllen konnte: Asharra sollte als erste Frau Bewahrerin von Neskaya werden.
    »Die anderen Bewahrer werden dich bekämpfen«, hatte Varzil sie gewarnt. »Du mußt dich ständig darauf vorbereiten, noch viel stärker als sie zu sein, und darfst niemals Rücksicht zeigen.«
    Ich bin deine Nachfolgerin, Varzil, und was immer sie auch unternehmen mögen, nichts wird mich davon

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