Das Wort des Hastur - 12
LEE MARTINDALE
Die Jahresbraut
Lee beschreibt sich als ›vollschlanke, fetzige Vierzigerin‹ und fügt hinzu, daß ihr Mann sie als ›rothaarige motorisierte Höllenbrut‹ bezeichnet. Das klingt nach einer recht stürmischen Ehe.
Lee lebt mit ihrem Mann, zwei Katzen und zahlreichen Computern in Dallas. Sie hat, wie gesagt, keine Kinder, aber ›in absehbarer Zukunft wartet ein schwarzer Schäferhundwelpe auf mich‹.
Lee hat schon Sachtexte verkauft, aber Die Jahresbraut ist ihre erste fiktionale Arbeit, die veröffentlicht wird.
»Es tut mir leid, mein Gatte, aber ich kann es einfach nicht verstehen. Warum mußt du eine weitere Frau haben?« In der Stimme der Braut lag so viel Traurigkeit, daß Dyffed glaubte, sein Herz müsse zerspringen, sollte er versuchen, jetzt darauf zu antworten.
Nach langer Überlegung sagte er schließlich; »Ich habe es dir doch schon erklärt, mein Schatz. Es ist nun einmal Brauch, und so ist es schon immer gewesen.« Er nahm die Hand seiner jungen Frau und schmiegte sie in seine, betrachtete sie und war den Tränen nahe. Dyffed war es gewesen, der Caitlin aus dem väterlichen Haus in New Skye nach Rockraven gebracht hatte, wo sie zwischen Mittsommer und Mittwinter zur Pflege aufgenommen und von den Frauen des Clans begutachtet und schließlich willkommen geheißen worden war. Dyffed hatte mit ihr vor seinem Vater gestanden, als sie ihm ein langes Leben und dem Clan der MacKenzies viele Kinder versprach. Ihr erstes Kind, ein kräftiger Junge, lag schlafend in der Wiege neben der Feuerstelle. Und inzwischen war erneut das Mittwinterfest gekommen.
»Jawohl, mein Gatte, du hast recht. Aber erkläre es mir noch einmal.«
Dyffed schaute die Frau, deren Stimme sich nun etwas gefestigt hatte, liebevoll an, aber Caitlin erwiderte den Blick nicht; sie hatte sich von ihm abgewandt, und zum ersten Mal in mehr als anderthalb Jahren blieben ihre Gedanken vor ihm verschlossen.
»Wenn ich nur die Zeit dazu hätte. Aber wir müssen aufbrechen. Sie werden schon bald das Signal zur Versammlung geben.«
Er sah, wie Caitlin nickte, sich dann erhob und mit jener verhaltenen Anmut, die ihn immer in ihren Bann schlug, zu der Wiege ging, in der das Kind noch immer friedlich schlief. Dann schaute sie von dem Jungen auf, zu Dyffed hinüber, und holte gerade tief Luft, um noch etwas zu sagen, als von unten der Klang des Horns schwach zu ihnen hinaufdrang. Einen Augenblick lang riß sie die Augen angstvoll auf, doch dann beherrschte sie sich und atmete langsam und geräuschlos aus. Sie hob einen festlichen Wollumhang auf und hielt ihn Dyffed hin, der ihn ihr um die Schultern legte, wobei sie ihm den Rücken zuwandte. Seine Hände verweilten in einer flüchtigen Liebkosung auf ihren Schultern. »Ich liebe dich, Caitlin«, flüsterte er ihr ins Haar.
»Und ich werde dich immer lieben, Dyffed«, flüsterte auch sie, bevor sie die Schultern straffte und sich zur Tür begab.
In den riesigen Kaminen der Großen Halle loderten die Feuer, und die harzigen Zweige und gebackenen Gewürzbrote erfüllten die Luft mit festlichen Gerüchen. Musikanten spielten den Paaren und Gruppen auf, die vor den reich gedeckten Tischen tanzten. Als Dyffed den Raum betrat, bemerkte er an den Festlichkeiten nichts Ungewöhnliches – so war es sein Leben lang gewesen. Aber Caitlin an seiner Seite sah noch etwas anderes, etwas, das sich unter die fadenscheinige Fröhlichkeit mischte. Hier und da standen Männer und Frauen, die sich voller Liebe und doch betrübt anblickten. Hände hielten sich fest umschlungen, so als ob ihre Besitzer nur äußerst widerwillig voneinander lassen wollten, bevor es unbedingt nötig wäre. Da erkannte Caitlin, daß sie nicht allein mit ihrem Kummer war, und das erleichterte ihr die Sache ein wenig.
Der alte MacKenzie stand auf, pochte auf den Tisch und bat gutgelaunt um Ruhe. Mit unverhohlenem Stolz blickte er im Saal umher, bis alle still waren und sich jedes Augenpaar auf ihn richtete. »Hört, meine Gefolgsleute, der Clan MacKenzie hat ein weiteres Jahr überlebt. Darauf wollen wir trinken!« Die Pokale wurden erhoben und Hochrufe erfüllten den Raum.
»Alles in allem ist es ein sehr gutes Jahr für uns gewesen. Natürlich haben wir auch schwere Zeiten durchgemacht – wir mußten in dieser Zeit erleben, daß der alte Morgan, unser Heilkundiger, von uns ging, und daß Donal der Jüngere bei jenem Eissturz im Frühjahr umkam. Melora starb im Kindbett – mögen die
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