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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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folgen. Nur mit ihrer letzten Willenskraft hielt sie sich zurück. In ihrer Verzweiflung stellte sie sich vor, wie eine blaue Flamme sie umgab und von jeglicher Versuchung abschirmte. Feuerwände aus kaltem Azur loderten um sie herum und verfärbten sich bei jedem Aufflackern noch tiefer. Asharra klammerte sich an sie, so als ob sie mit ihrer frostigen Schönheit verschmelzen könne. Im nächsten Augenblick war Varzils Gestalt ihrem Blick entschwunden. Sie glitt zurück in ihren Körper.
     
    Am nächsten Morgen wurde Asharra offiziell von Raimond Lindir empfangen. Er vertraute ihr an, daß die Straßen derzeit wieder unsicher waren, da die Hastur-Lords bereits wieder Rebellion und Kriegsgeschrei verbreiteten. »Ich hätte nicht gedacht, Euch hier so bald begrüßen zu können«, setzte er dann ohne die leiseste Gefühlsregung hinzu. »Aber Neskayas Verlust ist unser Gewinn.«
    »Ich werde alles tun, um mich Eures Vertrauens würdig zu erweisen«, erwiderte Asharra.
    »Welche Gründe Corus auch sonst noch gehabt haben mag, Euch zu entlassen, so kann ich doch nicht leichtfertig den offensichtlichen Ungehorsam übersehen. Ihr werdet Euch das Recht auf Eure vorherige Stellung erst verdienen müssen. Ich kann Euch nur den Status eines Technikers einräumen.«
    Asharras Gesichtsausdruck blieb unbewegt. Was hatte sie anderes erwarten können? Und immerhin hatte Raimond davon gesprochen, das sie ihr Recht verdienen konnte. So sollte es denn sein! Sie würde ihm schon beweisen, was für einen Bewahrer Varzil aus ihr gemacht hatte!
     
    In den folgenden Tagen kam Asharra wieder zu Kräften, mit denen sie dann sogleich alle Aufgaben anging, die man ihr zuteilte. Erstmals seit Varzils Tod begann sie daran zu glauben, daß auch sie glücklich werden könne. Raimond Lindir war ein ganz anderer Bewahrer als Corus. Er verschwendete keine Zeit, indem er sich von Gefühlen ablenken ließ, und Asharra konnte nie auch nur die geringste Regung eines sexuellen Interesses bei ihm feststellen. Man hätte glauben können, er sei nach der alten Tradition zum Emmasca gemacht worden.
    Asharra blieb oft bis spät in die Nacht auf und praktizierte Varzils Atemübungen, mit denen sie sich in Trance versetzen konnte. Um dabei einen unkontrollierten Energieabfluß zu vermeiden, hatte sie um ihren Raum eine Laran -Barriere errichtet.
    Eines Abends – Asharra befand sich nun schon seit ein paar Monaten in Hali – schien alles friedlich, bis plötzlich eine aufgeregte Stimme auf dem Flur laut wurde. Asharra war sofort hellwach, griff nach einem dicken Wollschal und riß die Tür auf. Cheria, eine der jungen Überwacherinnen, stürzte auf sie zu. Die Haare hingen ihr aufgelöst über die Schultern, ihr Gesicht war gerötet, und ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet.
    »Asharra!« stieß sie hervor. »Komm schnell – Ihr müßt uns helfen!« Sie schaute sich noch einmal verzweifelt um, während sie schon zum nächsten Zimmer fortstürmte und dort um Hilfe flehte.
    Asharra überlegte kurz, dann weckte sie ihre Laran -Kräfte. Mit ihren nun gesenkten Barrieren konnte sie wahrnehmen, wie Raimonds geschliffener Geist den Turm in einem Kreis zusammenrief.
    Sie war kaum ein paar Schritte den eisigen Korridor entlanggeeilt, als ein unmenschlich starker mentaler Energiestoß sie gegen die Wand schleuderte. Asharra taumelte und konnte sich kaum auf den Füßen halten.
    Heilige Cassilda! Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie etwas derartiges verspürt – Laran ohne das geringste Anzeichen einer menschlichen Regung, sondern eine abnorme Deformation der Urkräfte, die die Materie zusammenhielten. Asharra rappelte sich auf und eilte weiter.
    Mit vor Konzentration angespannter Miene beugte sich Raimond über den großen Matrixschirm, der das Herz von Hali ausmachte. Bleich und gespenstisch in seinem blauen Widerschein saßen die Unterbewahrer, Techniker und Überwacher um ihn versammelt. Asharra schlüpfte in den Kreis, nahm Raimond gegenüber Platz, und ergriff die Hände ihrer beiden Nachbarn.
    Ohne Vorwarnung verformte sich das übersinnliche Gedankengewölbe des Kreises, gerade so, als ob die Natur selbst entwurzelt wäre. Es preßte Asharra die Luft aus ihren Lungen, und ihr wurde schwarz vor Augen. Steinwände barsten: der Turm schien in seinen Grundfesten zu erzittern!
    Mit einigen gezielten Atemzügen gelang es Asharra, ihren Körper in Trance zu versetzen. Einen Augenblick lang schwebte sie über dem Turm von Hali. Von dort schaute sie auf ihn und den

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