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Das Wunder von Treviso

Das Wunder von Treviso

Titel: Das Wunder von Treviso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Falk
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seine Nichte von seinem Hexenschuss in Kenntnis und bat sie, den nächsten Bus von Castello nach Treviso zu nehmen. Doch die Nichte kam nicht an diesem Tag. Sie schickte jemand anderen.

10
    «Niemand lässt sich wegen Keksen scheiden!», sagte Luigi.
    «Na und? Was soll ich tun?», fragte Vito.
    «Dich entschuldigen, du Idiot», antwortete Luigi. «Oder willst du bis ans Ende deiner Tage Massimos Pasta al pomodoro in dich hineinfuttern?»
    Vito, der Supermarktbesitzer von Treviso, warf einen vielsagenden Blick auf seinen alten Freund und bestellte sich eine dritte Portion. Er hatte sich furchtbar mit seiner Frau gestritten, weil diese ihm verbieten wollte, im Supermarktregal die Kekse neben das Brot einzusortieren. Nun war er in Massimos Trattoria geflüchtet.
    «Was hast du gegen meine Pasta?», fragte Massimo. Er stand hinter der Theke und trocknete Gläser ab.
    «Nichts, nur dass du zu Mittag immer und ausschließlich Pasta al pomodoro kochst», sagte Luigi.
    «Was ist falsch daran?», fragte Massimo, doch Luigi machte nur eine abschätzige Handbewegung.
    «Amici, jetzt ist es genug!», sagte der Bürgermeister Mario, der an einem Tisch ein wenig abseits der anderen seine Zeitung las. «Ich lese, und wenn ich lese, will ich nicht gestört werden.»
    «Was, du kannst lesen, Bürgermeister?», fragte Vito.
    «Stell dir vor!», antwortete dieser.
    Draußen brannte die Sonne auf den Asphalt und weichte ihn auf. Die Kinder versuchten, ihre Turnschuhe hineinzupressen, damit ein Abdruck davon blieb. Auf dem Schulhof waren siebzehn Mal Nike, dreizehn Mal Puma und ganze sechsundzwanzig Mal Benetton zu lesen. Es war zwölf Uhr siebenunddreißig, und der Bus aus Castello della Libertà war noch immer nicht da. Massimo sah aus dem Fenster.
    «Der Bus ist heute aber spät», sagte er.
    «Wen interessiert es?», entgegnete Vito.
    «Mich. Mich interessiert es. Vielleicht kommen ja ein paar Touristen.»
    Luigi lachte in sich hinein, Vito würdigte ihn keines Blickes, und der Bürgermeister hörte erst gar nicht hin. Daher nahm Massimo sein Geschirrtuch und verzog sich schimpfend in die Küche. Und so entging ihnen allen, als der Bus der Linie 174 über den Marktplatz rollte, seine Fahrgäste herausließ und wieder zurück nach Castello della Libertà fuhr.
    Unter den Fahrgästen befanden sich Signora Bortolotti, die bei ihrer Schwester in Castello zu Besuch gewesen war, und der alte Signor Baci, der im riesigen Coop-Supermarkt von Castello einen neuen Grill erstandenhatte und diesen nun schwankend nach Hause schleppte, rechts den Gehstock, links den Grill und unterm Arm die Einkaufstasche. Des Weiteren waren tatsächlich zwei deutsche Touristen ausgestiegen, deren breite Rucksäcke und kurze Hosen kein gutes Geschäft versprachen und die sich nun ihren Weg durchs Dorf bahnten, in das sie sich wohl verirrt hatten. Niemand kam freiwillig nach Treviso, schon gar nicht im August.
    Dem Bus entstieg aber noch eine weitere Person, eine ältere Dame in Stützstrümpfen, bequemen Schuhen und knitterfreiem Rock. Sie warf sich ihren dünnen Sommermantel über den Arm und ging festen Schrittes auf das Pfarrhaus zu.

11
    Der Pater litt Qualen. Ein Hexenschuss ist eine unangenehme Sache, und man sollte besser nicht so tun, als wüsste man, wovon man redete, wenn man noch nie einen gehabt hat, denn darüber zu sprechen bleibt Eingeweihten vorbehalten. Der Pater versuchte, sich so wenig wie möglich zu bewegen und stattdessen über seine Sünden nachzudenken. Er wusste, warum ihn der Herr bestraft hatte, und war sich darüber im Klaren, dass er es auch verdiente. Aber, Herrgott noch einmal, tat das weh!
    Das Pfarrhaus hatte zwei Eingänge, von denen dereine, der Haupteingang zum Kirchhof, nur in Notfällen benutzt wurde. Die Tür war zu morsch, und die Scharniere ächzten so sehr, dass man sie nicht unnötig bewegen durfte. Zum Hintereingang führte links ein kleiner Weg ums Haus herum, zur Rechten lag die Kirche. Ging man diesen kleinen Pfad entlang, kam man in den Kräutergarten. Die Frau mit den Stützstrümpfen trug ihren Koffer bis zum Hintereingang, sah ein Paar Gartenhandschuhe auf der Bank liegen – vermutlich hatte Antonio sie hier vergessen   –, schnappte sie sich im Vorbeigehen und ging dann ins Haus.
    «Hallo? Nichte, bist du das?», hörte sie ihren Bruder rufen.
    «Nein», antwortete Maria. «Ich bin das.»
    In Don Antonios Augen wechselten sich Erstaunen und Erschrecken von Sekunde zu Sekunde ab.
    «Was machst du denn hier?

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