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Das Wunder von Treviso

Das Wunder von Treviso

Titel: Das Wunder von Treviso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Falk
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Küchenschrank gefunden. Sie prostete sich in den nun blitzblanken Scheiben der Anrichte zu, nahm einen großen Schluck und begann zu husten. Du meine Güte, das sollte Messwein sein? Schlimm genug, dass ihr Bruder Rotwein statt Weißwein für die Messen verwendete, denn die Flecken auf dem Altartuch auszuwaschen war ganz sicher kein Vergnügen, aber dass er dazu noch den billigsten Wein der schlechten Enoteca von Treviso bezog, zeugte entweder vom schlechten Geschmack Don Antonios oder von seinem Geiz, womöglich auch von beidem. In jedem Fall war dieses Gesöff kein Qualitätswein, wie ihn die Kirche für Messen vorschrieb. Und obwohl Maria selten konform mit den Vorschriften der katholischen Kirche ging, hätte sie durchaus nichts dagegen gehabt, wenn ihr Bruder sie in wenigstens diesem Punkt befolgt hätte. Gerade kippte sie den Inhalt ihres Glases in den Ausguss des Spülbeckens, als es an der Vordertür klingelte.
    Der Pater, durch das Läuten aus seinem leichten Abendschlummer geweckt, brüllte durch drei Türen und zwei Stockwerke, so laut er konnte, seiner Schwester zu: «Nicht aufmachen! Die Tür ist kaputt!»
    «Was willst du?», rief Maria zurück.
    «Nicht aufmachen!», schrie der Pater erneut.
    «Wieso soll ich nicht aufmachen?», schrie Maria zurück.
    «DIE TÜR IST KAPUTT!»
    Unten vor der Haustür schauten die vier Freundeeinander ratlos an. Dann sagte Massimo: «Also, brüllen kann er jedenfalls noch.» Und bevor sie es sich versahen, hatte eine fremde Frau die Tür mit einem Ruck aufgerissen, wobei Holzsplitter in alle Richtungen flogen.
    «Buona sera», sagte die Frau.
    «Buona sera», sagten der Bürgermeister, Vito und Massimo. Luigi schwieg, er starrte nur auf die stützbestrumpften Beine vor ihm und dann in das Gesicht der Frau.
    «Sie wünschen?», fragte sie.
     
    Maria nahm Massimo freundlich lächelnd das Essen für den Pater aus der Hand, bugsierte die vier Herren aufs große Sofa des Wohnzimmers und servierte ihnen Biscotti und Kaffee. Als alle versorgt waren, begann sich ein unangenehmes Schweigen auszubreiten. Also fühlte sich Vito bemüßigt zu fragen: «Und? Wie geht es Ihrem   …?»
    «Meinem Bruder?», fragte Maria. «Besser, danke. Er braucht nur noch ein wenig Ruhe.»
    Die Männer nickten. «Ja», sagte Massimo, «etwas Ruhe kann ja nie schaden.»
    «Ach, Sie sind also die Schwester», stellte Vito fest. Und weil er etwas Freundliches sagen wollte, fügte er hinzu: «Unglaublich, Signora, Sie sehen so jung aus, Sie können doch höchstens die Tochter   …»
    Mario stieß ihn unsanft in die Rippen. «Er ist Priester, du Idiot! Er kann doch gar keine Kinder haben.» Und alle lächelten verlegen.
    Die Unterhaltung kam nicht so recht in Gang. Plötzlich vernahm man im oberen Stockwerk Geräusche, etwas schleifte über den Boden.
    «Liegt Ihr Bruder im Bett?», fragte Luigi.
    «Das sollte er», sagte Maria. «Aber dem Lärm nach zu urteilen verbarrikadiert er gerade die Tür mit einem Stuhl, damit ich ihn nicht weiter mit Nudelsuppe und warmen Umschlägen traktieren kann.» Und dann fing sie an zu lachen, herzlich, freundlich und mit vielen kleinen Falten um die Augen.
     
    Als die Männer eine Viertelstunde später wieder vor der nun kaputten Eingangstür standen, um sich auf den Rückweg zu machen, hörten sie durch ein geöffnetes Fenster die Stimme Don Antonios, der lautstark nach Fleisch zum Abendessen verlangte, und die Stimme seiner Schwester, die ihm wiederum zubrüllte, darauf könne er warten, bis er schwarz werde, er brauche eine ausgewogene Ernährung, habe der Doktor gesagt, und damit basta. Massimo dachte an die Scallopine milanese, die er dem Pater mitgebracht hatte und die dieser vermutlich nicht zu Gesicht kriegen würde.
    In der Trattoria angekommen, waren die Männer erschöpft, ob von der Hitze oder der spärlichen Konversation, wagte keiner zu sagen. Massimos Frau, die gerade das Erdbeereis nachfüllte, drehte sich zum Eingang und begrüßte ihren Mann mit den Worten: «Und, wie war’s?»

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    «Seine Schwester? Ich dachte, die hätten seit Jahren keinen Kontakt!», sagte Massimos Frau.
    «Und das hat sicher auch einen guten Grund!», entgegnete Massimo. Der Bürgermeister und Vito nickten bekräftigend. Die fünfzehn Minuten beim Pater hatten offenbar Eindruck bei ihnen hinterlassen, das sahen auch ihre Frauen, und es heizte ihre Neugier nur noch zusätzlich an.
    «Ist sie denn so furchtbar?»
    Massimo ließ langsam die Luft aus seinen aufgeblasenen Backen

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