Das Zauberer Handbuch
Tee, während ich darüber nachdenke, wie der Kampf zwischen Granock und dem – ja, wem eigentlich? – weitergehen soll.
Worauf wird der aus Shakara verbannte Zauberer in jenem alten Zwergenstollen stoßen? Was treibt er überhaupt dort? Wer waren die Gefährten, von denen die Rede war und die am Eingang des Stollens offenbar ein ziemlich unangenehmes Ende ereilt hat?
Fragen über Fragen, die an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden können. Jedenfalls nicht von mir. Denn in diesem Buch, diesem Handbuch für kreative Zauberer, geht es nicht in erster Linie um die Weisen von Shakara, auch wenn sie immer wieder auftauchen und sich freundlicherweise (und ohne Honorar) bereit erklärten, als Anschauungsobjekte zur Verfügung zu stehen, sondern um euch; um all jene, die die schöpferische Ader in sich spüren. Die noch davon träumen oder es bereits ganz fest vorhaben, selbst zum Stift bzw. zur Tastatur zu greifen, ihre eigene Fantasy-Story zu ersinnen und so zum Zauberer zu werden, zum Magier der Worte in einem Reich der Phantasie.
Seid ihr bereit, euch der Herausforderung zu stellen?
Ein wenig warnen möchte ich schon. Es erfordert Mut, Durchhaltevermögen und nicht zuletzt eine gute Portion Begabung, aus einem einzelnen Gedanken eine komplexe Welt und aus einer einfachen Idee einen ganzen Roman zu formen – genau jene Eigenschaften also, die auch die Protagonisten der Geschichten auszeichnen, die wir alle so gerne lesen.
Ihr seid noch an Bord? Dann folgen wir ihnen also auf ihren abenteuerlichen Spuren.
Erstes Buch
EIN HELD WIRD GEBOREN
1
Brei mit Holzgehalt
In diesem Buch soll es nicht darum gehen, warum ich den armen Granock in diese prekäre, ja beinahe aussichtslose Situation geschickt habe (und nicht nur in diese, er verübelt mir das immer noch) – sondern wie du die Geschichte weiterspinnen würdest: Was lauert dort in der Dunkelheit? Wird es unserem Helden gelingen, die Kreatur zu besiegen? Und wenn ja, auf welche Weise? Und was erwartet ihn am Ende des Stollens? Welches Geheimnis hütet der Berg? Gilt es einen Schatz zu entdecken, verborgenes Wissen oder etwas ganz anderes?
In den Antworten auf diese Fragen verbirgt sich nicht nur der Fortgang dieser einen Geschichte, sondern, im übertragenen Sinn, das Gesetz eines ganzen Genres. Denn genau um diese Dinge geht es in der Fantasy: Um mystische Kreaturen, um das Entschlüsseln alter Rätsel, das Erkunden unbekannten Terrains und den Kampf gegen dunkle Mächte – mit anderen Worten genau jene Themen, die die Menschheit seit Anbeginn ihrer Geschichte beschäftigt und gefesselt haben.
Wie alt aber ist das Genre der Fantasy? Wo kommt es eigentlich her, doch nicht aus Hollywood? Oder gar aus Neuseeland? Und wieso ist es wichtig, dies als angehender Autor zu wissen? Die Antwort ist dieselbe, die wohl auch Farawyn seinem unentwegt Fragen stellenden Schüler Granock gegeben hätte: Weil es hilft, seine Wurzeln zu kennen.
Fantasy-Helden wissen oftmals nicht, wer sie in Wahrheit sind oder woher sie kommen, was nicht selten die Ursache dafür ist, dass sie Hals über Kopf in ein Abenteuer verwickelt werden und in tödliche Gefahr geraten – etwa wie die Elfin Alannah in DIE RÜCKKEHR DER ORKS, deren Gedächtnis durch einen Zauber gelöscht wurde und die erst ganz allmählich hinter das Geheimnis ihrer Herkunft kommt. Als Autoren sind wir glücklicherweise durchaus in der Lage, zumindest unsere literarischen Wurzeln nachzuvollziehen und uns zu vergegenwärtigen, wo unsere kreativen wie inhaltlichen Ursprünge liegen – umso leichter ist es dann, dem Vorausgegangenen Neues hinzuzufügen.
Die Wurzeln der modernen Fantasy liegen, das wird niemanden überraschen, in den Mythen der Vergangenheit. Nicht nur, was das Figurenpersonal betrifft – Elfen, Zwerge, Drachen und sogar Orks begegnen uns in zahlreichen keltischen und nordischen Mythen, welche hauptsächlich als Vorbilder dienen, zumindest solange wir uns im Genre der High Fantasy bewegen; auch die oft vorzufindende Suche des Helden nach einem magischen oder zumindest mächtigen Gegenstand, die Queste, steht im Mittelpunkt vieler bekannter Mythen – denken wir nur an die Gralssuche des Parzival oder die vielen Helden des klassisch griechischen Sagenkreises, die sich auf die Reise begeben, wie etwa Jason, der zusammen mit den Argonauten das Goldene Vlies im Lande Kolchis an sich bringen will, oder Herakles, der sich übermenschlichen Prüfungen stellen muss, um seine Zugehörigkeit
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