Das Zaubergift
sein? Glaubst du etwa, ich könnte keine dreizehn Orgks und einen Troll erledigen? Aber wo du es gerade erwähnst … Es wäre tatsächlich eine gute Rede.«
»Über welches Thema sollst du denn sprechen?«
»Wie lebe ich friedlich in einer feindlichen Welt.«
»Na, dann wünsche ich dir viel Glück!«
»Das werde ich brauchen. Mein letztes Rhetorik-Examen ist nicht besonders gut gelaufen.«
Wir lassen uns von einem Mietlandauer durch die Stadt kutschieren. Es ist so heiß wie im Orgkus, und es wird einfach nicht kühler, selbst wenn sich der Tag dem Ende zuneigt. Ich dirigiere den Kutscher zu der Mietskaserne, in der Gesox ein kleines Zimmerchen hat. Niemand in dem ganzen Haus scheint etwas über ihn zu wissen. Die Nachbarn haben ihn kaum gesehen und glauben auch nicht, dass er irgendwelche Verwandten hat. Außerdem hoffen sie inständig, dass er gehenkt wird. Schließlich hat er unseren berühmtesten Künstler umgebracht!
Ich durchsuche sein Zimmer, aber vergeblich. Weder finde ich etwas Interessantes, noch stoße ich auf etwas Verbotenes.
Es ist einfach nur eine schäbige kleine Bude für einen Bildhauer-Schüler, der sich nichts Besseres leisten kann. Die Bodendielen sind kahl. Die Wände sind rußig vom Kerzenrauch. Von oben ertönen die schrillen Schreie eines ungezogenen Görs und das hoffnungslose Gekreische einer überforderten Mutter. Es schüttelt mich.
»Lass uns bloß machen, dass wir hier rauskommen!«, sage ich. »Das deprimiert mich.«
Der arme Gesox. Keine Freunde und keine Verwandten. Und dann musste er ganz allein in diesem elenden Zimmerchen hausen. Ich kann nachvollziehen, dass er mit Rodinaax’ Frau etwas Abwechslung von seinem trostlosen Dasein genießen wollte.
Wir wenden uns nach Norden. Wir wollen bei Lisutaris, der Herrin des Himmels, vorbeischauen. Lisutaris ist eine mächtige Zauberin, und sie hat nichts mit irgendwelchen Bonzen in Turai zu schaffen. Außerdem bezieht sie ein großes, unabhängiges Einkommen und muss weder im Justizdomizil noch im Palast arbeiten oder etwa Horoskope erstellen oder Glücksamulette für begüterte Bürger basteln. Das ist auch ganz gut so, denn Lisutaris hängt den ganzen Tag an ihrer Thazis-Wasserpfeife und befindet sich permanent in ihrem höchsteigenen Himmel.
Ich habe ihr vor einigen Monaten aus einer Kalamität geholfen, also ist sie vielleicht auch bereit, mir jetzt einen Gefallen zu tun, obwohl ich mich nicht darauf verlasse. Makri ist da weit optimistischer. Sie hat Lisutaris bei einigen Treffen der Vereinigung der Frauenzimmer getroffen, und die Zauberin war durchaus freundlich zu ihr. Ganz im Gegensatz zu einigen anderen vornehmen Damen, wie Makri knurrend ausführte. Selbst die Vereinigung der Frauenzimmer scheint nicht frei von Standesdünkel zu sein, vor allem gegen jemanden, der Orgk-Blut in seinen Adern hat. Einige Senatorengattinnen weigerten sich sogar rundheraus, sich mit Makri im selben Zimmer aufzuhalten.
Unser Mietlandauer stoppt in einer schmalen Straße, weil uns ein Gemüsekarren den Weg versperrt. Unser Kutscher bellt einige herzhafte Beschimpfungen, aber nichts passiert. Der andere Kutscher scheint verschwunden zu sein. Jedenfalls rührt sich der Karren nicht von der Stelle. Wir sehen uns um, während unser Kutscher sich an die schwierige Aufgabe macht, sein Gefährt in der schmalen Gasse zu wenden. Hinter uns stehen fünf Mönche in roten Roben. Sie haben uns durch dieses einfache Manöver in eine Sackgasse gelockt und versperren uns jetzt gelassen den Rückzug. Ein eher zierlicher Mönch mit einem jungenhaften Gesicht steht vor den vier anderen und winkt grüßend. Makri und ich springen aus dem Landauer und treten ihnen entgegen.
»Was wollt Ihr?«
»Die Statue von Sankt Quaxinius«, erwidert der kleine Mönch ruhig. Selbst seine Stimme ist gelassen. Und mir fällt auch auf, dass er im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung in dieser Affenhitze überhaupt nicht schwitzt.
»Was habe ich damit zu schaffen?«
»Wir wissen, dass Ihr sie habt.«
Ich merke, wie ich die Geduld verliere. Was bildet sich dieser Knilch eigentlich ein? Er blockiert einfach meine Mietdroschke, während ich in einem wichtigen Auftrag unterwegs bin! Ich empfehle ihm, zum Orgkus zu fahren. Er tut mir nicht den Gefallen. Stattdessen bleibt er vollkommen entspannt stehen, was mich noch mehr in Rage bringt. Also versuche ich, ihn aus dem Weg zu schieben. Aber irgendwie weicht er mir aus. Jetzt verliere ich vollkommen die Beherrschung und versetze
Weitere Kostenlose Bücher