Das Zaubergift
ihres gesellschaftlichen Standes.
Das kurze Momentchen, bis Lisutaris kommt, entwickelt sich zu einer ausgewachsenen Ewigkeit. Und im selben Maß nimmt meine Geduld ab. Der Wein ist zwar hervorragend, aber ich habe keine Zeit, um ihn zu genießen. Makri brütet immer noch darüber, wie es geschehen konnte, dass ihr jemand in den Hintern getreten hat, und sitzt stocksteif auf ihrem Stuhl.
»Entspanne dich, Makri. Auch wenn du die Nummer eins bist, was Kämpfen angeht, bist du deshalb noch lange nicht unbesiegbar. Sie waren zu fünft, und sie waren alle sehr gut ausgebildet. Einige dieser Mönche haben ihr ganzes Leben in Klöstern verbracht und nichts anderes getan als gekämpft und gebetet.«
»Wenn wir uns das nächste Mal begegnen, haben sie allen Grund zu beten!«, verspricht Makri und stößt anschließend einige finstere Drohungen aus, was sie dann für sie auf Lager hat.
Lisutaris kommt schließlich doch noch. Ihr Blick wirkt irgendwie abwesend. Ein Diener führt sie zu einem Stuhl und versucht zu verbergen, dass er sie tatsächlich stützt. Ich seufze. Was hat dieser Zaubererberuf so an sich, dass seine Vertreter sich immer solchen Exzessen hingeben müssen?
»Kann ich Euch noch etwas bringen?«, fragt der Diener.
Ich bemerke, dass mein Humpen leer ist. »Noch eine Flasche Wein, wenn es geht.«
Lisutaris bekommt ihre Augen schließlich doch unter Kontrolle. Als sie Makri sieht, lächelt sie erkennend.
»Hallo …«
»Makri.«
»Hallo … Makri.«
Die Zauberin sieht mich an. Ich erkenne, dass sie keine Ahnung hat, wer ich bin. Also rufe ich ihr den Aufstand ins Gedächtnis.
»Ich habe Euch geohrfeigt.«
Na ja, das klingt ein bisschen missverständlich.
»Um Euch wach zu kriegen, meine ich. Damit Ihr das Feuer löscht.«
Sie schaut mich verständnislos an.
»Und dann habe ich den Mob zurückgehalten, der uns massakrieren wollte. Eigentlich haben Marihana und ich es zusammen gemacht. Prätor Zitzerius hat es später in seiner Lobrede als heldenhafte Tat gewürdigt.«
Lisutaris Blick ist immer noch bar jeden Verständnisses. »Meine Erinnerungen … an diesen Tag sind etwas … vernebelt. Es ist so viel passiert – das Feuer und die Aufstände –, und ich …«
Ihre Stimme verklingt, und ihr Blick gleitet zu den Elfengobelins. Lisutaris ist mit zierlichem Silberschmuck eindeutig elfischer Herkunft behängt und spielt gedankenverloren mit einer der schlanken Spangen, die ihre Handgelenke zieren. Wir sitzen schweigend da, während die Zauberin in einen der von Thazis inspirierten Träume versinkt, die sie in den Gobelins gefunden haben mag. Als erfahrene und angesehene Zauberin hat Lisutaris, Herrin des Himmels, natürlich einen großen Teil ihrer Lehrzeit unter den Elfen verbracht. Unsere Zauberer besuchen in ihren jungen Jahren alle die Südlichen Inseln, um zu studieren und zu lernen.
Ich selbst war auch auf den Südlichen Inseln, was nur wenige Turanianer von sich behaupten können. Die Inseln sind wunderschön. Und Verbrechen sind dort weitgehend unbekannt. Der Wein ist ausgezeichnet, nur Bier ist sehr schwer zu bekommen. Lisutaris glotzt weiter auf ihre Gobelins, und ich werde allmählich verlegen und auch ein bisschen gereizt. Ich habe dieser Frau vor ein paar Monaten das Leben gerettet. Es macht mir nichts aus, dass sie vergesslich ist, aber das erschwert es mir erheblich, sie um einen Gefallen zu bitten. Ich will die Frage gerade trotzdem stellen, als Makri mir zuvorkommt.
»Könnt Ihr uns helfen, jemanden zu suchen?«, fragt sie.
Die Herrin des Himmels reißt ihren Blick von den Gobelins los und richtet ihn auf Makri. Sie ist sichtlich überrascht. Makri hat natürlich keine Ahnung, wie ungezogen diese Frage ist.
»Ich soll nach jemandem … suchen?«
Einen Augenblick wirkt die Zauberin verärgert. Ich erwarte schon, dass sie uns gleich hinauswirft. Doch dann zuckt sie mit den Schultern und lächelt.
»Wenn Ihr gern möchtet. Wen sucht Ihr?«
Ich überlasse Makri die Erklärungen. Wie interessant! Anscheinend berechtigt ihre gemeinsame Mitgliedschaft bei der Vereinigung der Frauenzimmer sogar dazu, ein soziales Tabu zu brechen. Diese Frauenrechtlerinnen werden es sich eines Tages noch mit dem König und der Kirche verscherzen!
Lisutaris, Herrin des Himmels, greift gelassen zu einem seidenen Glockenstrang und bimmelt nach einem Diener. Von ihm lässt sie sich etwas Kuriya bringen. Er verschwindet und kommt augenblicklich mit einem goldenen Becken auf einem silbernen Tablett und
Weitere Kostenlose Bücher