Das Zaubergift
getan habe, als ich wegen unmoralischen Fehlverhaltens unter Alkohol-einfluss des Palastes verwiesen wurde.
Schließlich bekomme ich Gesox zu sehen. Er ist in einer Zelle im Verlies, hockt auf einer kleinen Holzbank und sieht aus, als hätte er längere Zeit weder geschlafen noch gegessen.
»Wie war Euer erster Prozesstag?«
»Mies.«
»Wie ist Euer öffentlich bestellter Rechtsbeistand?«
»Er liest immer noch die Fakten über den Fall.«
Gesox ist blass und merklich dünner als an dem Tag, an dem sie ihn verhaftet haben. Ich merke, dass er die Hoffnung aufgegeben hat. Ich versuche, ihn zu beruhigen, und sage ihm, dass ich einige Erfolg versprechende Spuren verfolge und dergleichen Ausflüchte mehr.
»Ich glaube, dass ich den wirklichen Mörder bald überführen kann.«
»Meint Ihr, Ihr schafft es, bevor ich gehenkt werde?«
»Natürlich.«
Das ist eine ungeschminkte Lüge. Der Prozess wird vermutlich nicht mehr länger als zwei Tage dauern. Wird Gesox verurteilt, dürfte er kurz danach auch hingerichtet werden. Turais Justiz verschwendet keine Zeit, wenn sie jemanden einmal für schuldig befunden hat. Als vollwertiger Bürger von Turai hat Gesox zwar das Recht, ein Gnadengesuch beim König einzureichen, aber dem König beliebte es noch nie, die Öffentlichkeit vor den Kopf zu stoßen. Er würde damit nur Senator Lohdius neue Munition liefern. Lohdius hält nämlich mit Vorliebe flammende Reden darüber, dass das Verbrechen in Turai zurzeit so sehr grassiere wie noch nie zuvor.
Ich frage Gesox eine Stunde lang intensiv aus und erfahre so gut wie nichts. Was ihn betraf, war es ein ganz normaler Tag in der Werkstatt, bis er Rodinaax mit einem Messer im Rücken fand.
»Wann habt Ihr das Messer zum letzten Mal benutzt?«
Das weiß er nicht mehr genau, aber er hat es häufig bei der Arbeit gebraucht, also musste natürlich seine Aura darauf zu finden sein. Ich rate ihm, sich keine Sorgen zu machen.
»Es gibt viele Möglichkeiten, die Aura eines Menschen auf einem Messer zu fälschen. Ich gehe der Sache auf den Grund.«
Dann überlege ich laut, ob Lolitia ihren Ehemann getötet haben könnte, aber das hält Gesox für sehr unwahrscheinlich. Er weiß zwar, dass sie sich gelangweilt hat, aber sie hat Rodinaax nicht gehasst. Im Gegenteil. Sie war ihm sogar sehr dankbar, dass sie nicht mehr in Zwölf Seen leben musste.
»Wisst Ihr etwas über gestohlenes Gold?«
Er sieht mich ausdruckslos an. Ich weihe ihn nicht in alle Einzelheiten über die goldene Statue ein, aber ich lasse ihn wissen, dass Rodinaax irgendwie in die Sache mit dem Goldraub verwickelt gewesen sein muss.
Gesox streitet vehement ab, dass der Bildhauer an diesem Verbrechen beteiligt gewesen sein könnte. Ich bin sicher, dass Rodinaax auf keinen Fall die Bronzestatue in seinem Atelier mit dem Gold hat ausgießen können, ohne dass sein Schüler etwas davon bemerkt hätte, also rate ich ihm, hier keine Schau aufzuführen.
»Rodinaax ist tot, also musst Ihr ihn nicht verteidigen. Und viel Zeit bleibt Euch auch nicht mehr. Wenn ich herausfinde, wo Rodinaax das Gold herbekommen hat, führt mich das vielleicht schneller zu seinem Mörder. Also, wenn Ihr etwas wisst, solltet Ihr das jetzt schleunigst ausspucken.«
Der arme, dünne, blasse Gesox scheint jetzt vollkommen zusammenzubrechen. Er sinkt auf dem harten hölzernen Stuhl zusammen, vergräbt den Kopf in den Händen und starrt auf den kahlen Zellenboden.
»Ich wusste, dass er damit nicht durchkommen würde«, meint er seufzend. »Und jetzt ist er tot. Wenn Ihr ihn bloßstellt, bleibt nicht einmal sein Ruf von ihm übrig.«
»Ihr schätzt seinen Ruf höher als Euer eigenes Leben?«
Gesox denkt darüber nach. Schließlich entscheidet er sich doch für sein Leben, aber es war offensichtlich eine knappe Entscheidung. Er hat keine Kraft mehr zu kämpfen. Ich glaube, dass er sogar schon angefangen hat, die Schlinge des Henkers als Erlösung zu betrachten. Es gefällt mir gar nicht, wenn meine Klienten so werden.
»Es war seine Spielleidenschaft, mit der alles begonnen hat.«
»Spielleidenschaft?«
»Rodinaax hat auf alles Mögliche gewettet. Während der Wagenrennen hat er das Stadion Superbius so gut wie nie verlassen. Und außerdem hat er bei Rennen außerhalb der Stadt gewettet. Dadurch hat er sich überall hoch verschuldet und konnte kaum noch eine Lieferung Marmor bekommen.«
Rodinaax wird mir allmählich sympathisch. Klingt so, als wäre er für einen Künstler gar kein so übler Typ
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