Das Zauberschloß
verliert sich, wie so oft, in Gedanken und der neu eingeweihte Jüngling ist begeistert und hoher, tugendhafter Entschlüsse voll.
Das Letzte wird auch nöthig seyn, sagte Freimund. Unser Küchenwagen kommt wahrscheinlich gar nicht, oder zu spät, wir haben auf eine schöne Sommernacht gerechnet, in welcher spät, oder selbst mit der Frühe, einige dieser Herren zu Fuß oder auf einem Schiff zurück nach der Stadt gelangten; der Sturm, der Regen ist da, das Schiff ist also fort, zurückgehn ist unmöglich, unsre Chaise zu klein. Mein Bastian ist dumm, er taugt zu keinem solchen Auftrage, ich muß also den Vetter bitten, einen Wagen, sei er auch, wie er sei, aus dem Dorfe zu holen, damit unser Schwieger und Herr Mansfeld zurückfahren, denn wir können in unserm Wagen nur noch einen, vielleicht die Madame zurücknehmen, die so gütig hat seyn wollen, das heutige Fest im Voraus zu besingen.
Der junge Vetter verbeugte sich und ließ sich sein Pferd wieder vorführen. Herr von Dobern wird heut gewiß gar nicht kommen, fuhr der Vater fort; auch kann ich mich wirklich nicht entsinnen, ob ich ihm den Tag oder Abend bestimmt habe, denn ich hatte so viel andere und wichtige Geschäfte zu besorgen, daß diese Nebensachen meinem Gedächtnisse völlig entwichen sind.
Ei, freilich! sagte Schwieger, wer kann an Alles denken; gab es doch einmal einen Raufer, der so zu einem Duell eilte, daß er in der Zerstreuung sein Bein zu Hause ließ.
Wie denn das? fragte Freimund nachdenkend.
Es war sein hölzernes, antwortete Schwieger, welches er wirklich vergaß, und wie er an Ort und Stelle kam, mußten ihm die Secundanten erst einen Baumzweig unterbinden, damit er seine Stellung mit Festigkeit einnehmen konnte.
Duell? Gevatter! sagte Freimund wieder – mir däucht, als Student habe ich auf der Universität auch einmal ein Duell ausgesogen.
Du? lieber Mann, fragte die Gattin mit dem Ausdruck des größten Erstaunens.
Freilich ist es so! antwortete Schwieger, und wir können uns die Sache wohl bei dieser traulichen Nachtlampe erzählen. Doch, da fällt mir zuvor noch eine andere sonderbare Geschichte ein, die ich berichten will. Hast Du wohl schon je, lieber Gevatter, einen recht zerstreuten Menschen gekannt?
Ich denke nicht, sagte Freimund, und kann mich eben keines recht auffallenden Exemplars erinnern. Doch, mir fällt bei. Du selbst, lieber Freund, hast mehr wie einmal zu seltsamen Dingen durch Deine Abwesenheit Veranlassung gegeben.
Kann wohl seyn! erwiederte Schwieger trocken; meine Abwesenheit zum Beispiel, als ich zum Assessor examinirt werden sollte, es vergessen hatte und verreiset war, und die Herrn Examinatoren lange vergeblich warteten, und ich nachher alle Hände voll zu thun hatte, daß die Männer sich nur wieder mit mir einließen.
Das ist Dir begegnet? fragte Freimund erstaunt; sieh, ich habe immer geglaubt, das sei mir selbst zugestoßen. Du hast mir aber die Sache vielleicht so oft erzählt, daß ich uns beide verwechselt habe.
Kann wohl seyn! sagte Schwieger mit boshaftem Lächeln, indem er die Uebrigen, so viel es die Lampe zuließ, bedeutend ansah. Um aber die Dämmerung zu überwinden, machte er eine solche Fratze, daß Alle über ihn lachen mußten.
Nun, Deine Geschichte? fragte Freimund.
Ja, fuhr Schwieger fort, die ziemlich seltsame Geschichte ereignete sich folgendermaßen: Ich war auf der Universität, und wie man denn in den Jahren Gelüste hat, so kam mir plötzlich das, auch Spanisch zu lernen. Das war damals noch ein seltener Fall, es war sogar nicht leicht, einen Lehrer zu aufzufinden. Ein alter trefflicher Mann, der fast alle Sprachen inne hatte, gab sich endlich dazu her, vorausgesetzt, daß noch einige meine Lust theilen und mit mir gemeinsam die Stunde nehmen wollten. Ein Theologe, ein junger Edelmann und ein Jurist, ein vorzüglicher Kopf, vereinigten sich, mir lernen zu helfen. Der Theologe war ein junger gesetzter Mann, der in seinen Studien hie und da aus der spanischen Literatur etwas Neues zu erfahren hoffte; der Edelmann, welcher nach Abgang von der hohen Schule seine militairische Laufbahn beginnen wollte, war etwas heftig, sogar jähzornig, sonst aber heiter und aufgeweckt, bis zum Uebermuth. Nun, ich war denn ich. Der vorzüglichste und hellste Kopf von uns Allen war aber ohne Zweifel der junge Jurist, ein ernsthafter Jüngling, der immerdar seinen Studien oblag und an dem vielleicht gar Nichts wäre auszusetzen gewesen, wenn er nicht manchmal an Zerstreutheit und Abwesenheit
Weitere Kostenlose Bücher