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Das Zauberschloß

Das Zauberschloß

Titel: Das Zauberschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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aussteigen, weil der taube Alte sich nicht sehen ließ, um den Schuppen aufzuschließen. Freimund eilte, um nur mit dem Hausschlüssel das Zauberschloß zu öffnen. Im untern Saal fand er die Zimmerschlüssel, so wie jenen zum Balkon. Er eilte die Wendeltreppe hinauf, öffnete den obern Saal und dort die Thüre nach dem kleinen Altan, um nur den armen Märtyrer zuerst von seiner Qual zu erlösen. Dann wurde der taube Alte in seinem Häuschen aufgesucht; man schrie, lärmte und tobte so lange, bis er die Sache halb begriff und die Eingesperrten, so wie die neue Herrschaft, die er kaum noch kannte, um Vergebung bat.
    Man hatte sich endlich im obern Saale versammelt; man saß, klagte, erzählte. Freimund hatte allerdings die ganze Abrede vergessen, erst spät war es ihm beigefallen, daß die Verlobung am heutigen Abend seyn sollte. Man war ausgefahren, aber Sturm und Gewitter hatten die Reisenden gezwungen, in einem Dorfe unterwegs zu rasten, um die Hefe des Wetters erst vorüber zu lassen. Das Nöthigste war, die so ganz Durchnäßten durch trockne Kleider und Wäsche zu erleichtern. Aber hier war guter Rath und Hülfe im eigentlichen Sinne theuer, denn da man bei heißem Wetter ausgefahren war, so hatte man nur einige Ueberröcke für die Rückkehr in der Nacht mitgenommen. Aus der Noth mußte, wie so oft, eine Tugend gemacht werden. Louise half im Nebenzimmer der Dichterin, deren Schmetterlingsflügel am meisten gelitten hatten, und die, vom Regen aufgeweicht, in ihren Hüllen fast durchsichtiger, als eine Ballettänzerin erschien. Sie kam in einem ganz zugeknöpften tuchenen Ueberröcke zurück. Schwieger zog einen Rockelor Freimunds an, und Mansfeld mußte einen Reisecapot der Mutter überwerfen.
    Der Küchenwagen, der schon am frühesten Morgen hätte ausreisen sollen, war auch erst nach Mittage ausgesandt worden; als sich daher, da man etwas besser im Trocknen saß, nach der Anstrengung und dem schlechten Wetter die Begierde nach Speise und Trank meldete, wußte man sich noch weniger zu rathen. Mansfeld nahm von Zeit zu Zeit seinen vorigen Platz auf dem Wartthurme draußen wieder ein, konnte aber mit seinen scharfen Augen Nichts entdecken, um so weniger, da die Dämmerung anfing, die, bei dem schwarz bedeckten Himmel, bald zur Finsterniß zu werden drohte. Die Dichterin hatte ihre Papiere indessen auf den Lehnen der Stühle ausgebreitet, allein, als man die Manuscripte näher besichtigte, war Alles erloschen. Ja wohl, sagte Mansfeld, ist die schöne, feurige Poesie, der ganze Glückwunsch für Fräulein Louise, Amor und Hymen, Tanz und Brautfackel, Alles zu Wasser geworden; eine Novelle, die ich bei mir hatte, die wir lasen, die aber unsere Sappho für unanständig erklärte, ist ebenfalls mit ihren Sündern und Sünderinnen von dieser Sündfluth verschlungen worden. Und so naß es auch hergegangen ist, so sitzen wir dennoch nun völlig auf dem Trocknen, und haben Nichts zu beißen und zu brechen. Soll man ein Omen für die Vermählung daraus ziehn?
    Louise sah ihn mit einem sehnsüchtigen, bittenden Blick an, als wenn dieses Unwetter mit seinen Unfällen Trost bringen könne, als wenn wirklich Sturm und Regen und die lächerliche Noth der Anwesenden jene Verlobung, vor welcher sie zitterte, rückgängig machen würde.
    Die Unbehaglichkeit der bleichen, gelangweilten Gäste stieg immer höher, denn auch den jungen Mansfeld schien seine erzwungene Laune zu verlassen. Da es in der That finster wurde, mußte man an Licht denken, und weil die Wachskerzen sich ebenfalls auf dem ausbleibenden Küchenwagen befanden, so konnte man sich fürs erste nicht anders helfen, als die kleine Oellampe des tauben Gärwers anzuzünden, deren trüber Schein wenigstens zeigte, wie finster die Dämmerung des Saals war. Da man einmal angefangen hatte, sich genügsam einzurichten, so trieb die Noth bald zu dem Entschluß, noch mehr vom Haushalt des tauben Alten zu benutzen. Er war selbst aber nicht eingerichtet, und hatte auf die Ankunft, auf den Gehalt seiner neuen Herrschaft gewartet; er hatte darum weder Federvieh, noch geräuchertes und gepökeltes Fleisch herbeigeschafft; er lebte, so viel er konnte, bei seiner Tochter im Dorfe, das eine Stunde und mehr entfernt war. Man fand daher weder Schinken, noch Eier, Gemüse wurde im Garten noch nicht gebaut; auch hatte der Alte keine Butter in seinem Hause, das Obst war noch nicht reif, hätte auch wohl bei dem feuchten, erkältenden Wetter zu keiner sonderlichen Erquickung gereicht. Man

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