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Das Zauberschloß

Das Zauberschloß

Titel: Das Zauberschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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ein so gespenstisches Nest, das in so üblem Rufe steht, wo Geister umgehen, Mord und Todtschlag vorgefallen ist, wo ich mich grauen werde, nur einen Augenblick, vollends in der Nacht, einmal allein zu seyn.
    O allerliebst! rief die muntre Henriette, und klatschte in die Hände: – nein, liebstes Mütterchen, zu einem solchen Besitz muß ich Ihnen und meiner Louise Glück wünschen! Was ich mir das immer gewünscht habe, ein solches Sommerhaus zu bewohnen, wo es etwas unheimlich zugeht, wo einem alle die guten und schlechten Romane der Miß Radcliff in jeder dunkeln Stube, in einer Buchenlaube, oder in einem unterirdischen Gange beifallen! Statt daß man sonst fragt: sind die Schwalben schon eingekehrt? ist der Storch in sein altes Nest wieder gekommen? erkundigt man sich nun: Geht es Heuer viel um? Gerathen die Schauder in diesem Herbste gut? Was macht Ihr lieber guter Spuk? Läßt sich das graue Männchen wieder sehn? Welche Späße haben sich dies Jahr die Unterirdischen ausgedacht? Nein, nein, da muß ich bei Euch wohnen, und mein Stübchen muß recht einsam liegen! Abends, beim dämmernden Lampenschein lieset uns dann Mansfeld etwas recht Grauerliches vor, wir Alle entsetzen uns, keiner will zu Bette gehen, endlich nimmt man mit Herzklopfen Abschied, und ich sitze nun allein da und fahre vor meinem eigenen Schatten zurück und wage nicht das Licht zu putzen oder auszulöschen. Nun hört man's auf dem Gange schleichen, die Bäume rauschen so sonderbar, es schlägt so dumpf zwölf in der Ferne, – aber bei alle dem sagen Sie uns doch, Mansfeld, was hat man denn eigentlich gegen das allerliebste Häuschen, das in einer so schönen Gegend liegt?
    Kindereien, antwortete Mansfeld, etwas Meuchelmord, ein grauser Fluch, ein so alltägliches Schicksalswesen, wie wir es in hundert Tragödien sehn, eine Sühne, die noch erwartet wird und die vielleicht die schöne Louise oder die muthwillige Henriette dort abbüßen und erfüllen müssen. Wer von uns nun etwa noch dort in Verzweiflung stirbt, wer noch in den Strudel dieser furchtbaren Begebenheiten hineingezogen wird, wer von uns den Andern, Sie verehrteste Frau von Freimund zum Beispiel, mit einem uralten Dolch ermorden, oder mit einer Limonade vergiften wird, das steht bei den Göttern.
    Nein, lieber Herr Mansfeld, sagte die Mutter sehr verdrüßlich, einen solchen Spaß will ich mir verbeten haben. Mit solchen Dingen muß man niemals scherzen wollen, es geschieht ohnehin Unglück und Böses genug in der Welt, man braucht es nicht noch herauszufordern. Aber neugierig bin ich immer gewesen, was es mit dem Hause eigentlich für eine Bewandniß hat, was man sich wenigstens davon erzählt, und wenn Sie das wissen, mein junger Herr, so theilen Sie es uns mit. Noch ist es hell, wir sind nicht abergläubisch, die Sache wird auch, wie es so oft in der Welt geschieht, daß man Alles vergrößert und die blinde Furcht sich selber ohne Noth das Unbedeutende schrecklich ausmalt, so etwas Besonderes nicht seyn.
    Wir haben, fing Mansfeld an, die gewisse Nachricht, daß die Gründung des Hauses jetzt etwa vor hundert und siebenzig Jahren mag geschehen seyn. Sie kennen die Gegend. Ueber dem Flusse hebt sich der weinbelaubte Hügel, mit Obst und Korn dazwischen, oben dann Waldparthieen, und zwischen diesen das anmuthige Haus, das der gemeine Mann nur das Zauberschlößchen nennt. Im dreißigjährigen Kriege soll hier, weil dieser Punkt den Fluß und das Ufer bestreicht, eine schwedische Schanze gewesen seyn. Nach dem Frieden baute ein alter Obrist sich hier an und wohnte mit seiner Familie in einem bequemen Hause. Nun traf es sich, daß die Tochter dieses Kriegsmannes, ein junges schönes Mädchen von achtzehn bis neunzehn Jahren, sich ohne Wissen und wider den Willen ihres Vaters in einen jungen Hauptmann verliebt und sich mit ihm versprochen hatte, dem der alte Obrist einen tödtlichen Haß geschworen, weil der Vater des Geliebten ihn vor vielen Jahren einmal empfindlich gekränkt und beleidigt haben mochte. Ein sehr reicher Gutsbesitzer hielt um das Mädchen an, und der Vater zwang die Tochter, diesem das Jawort zu geben. –
    Louise wurde roth und die Mutter verlegen, Henriette lachte etwas zu schalkhaft und bedeutsam, und nach einer kleinen Pause fuhr Mansfeld, dem die Verlegenheit der beiden Frauen nicht entgangen war, in seiner Geschichtserzählung also fort: – Natürlich nun die gewöhnliche Verzweiflung, der junge Mann wüthend, die Tochter in Thränen, auf Schicksal, auf

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