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Das Zauberschloß

Das Zauberschloß

Titel: Das Zauberschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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irgend ein Freund oder Feind hatte ahnden können. – Es war jetzt an der Zeit, daß er seinem Vater zum Trotz sich mit seiner Geliebten verbinden wollte. Sie, die unabhängig war, und die, ohne Eltern, von den entfernteren Verwandten sich Nichts wollte vorschreiben lassen, wohnte in der Nähe des verrufenen Zauberschlosses. Sie besuchte ihn dort auch oft in Gesellschaft von einigen Freundinnen, oder wenn er weibliche Gesellschaft, Verwandte und Bekannte bei sich hatte. Man sprach schon von der Vermählung, als der letzte Krieg mit Frankreich ausbrach, in welchem Deutschland seine Selbstständigkeit durch die seltensten und edelsten Opfer wieder errang. Der junge Hauptmann, Enthusiast wie alle Jünglinge jener Tage, trat sogleich, einer der ersten, als Freiwilliger ein. Der Krieg wälzte sich hieher. Der Vater, als Diener seines Fürsten, war auf der französischen Seite. Keiner wußte vom andern. denn der Lauf der Posten war unterbrochen. Es traf sich, daß die Geliebte, verlassen, bedrängt, von Gerüchten und dem immer näher rückenden Feinde beängstiget, hieher, nach dem Zauberschlosse, zum Bräutigam, ihre Zuflucht nahm. Er war entfernt. Wie verwundert, wie schmerzlich bewegt war er, als er sie in seiner Heimath fand, als sich sein Corps, dazu beordert, hierher bewegte. Rath, Hülfe, Nachfrage, Alles war zu spät, denn jede Stunde war die Erzeugerin wichtiger und trauriger Begebenheiten. Der Hauptmann sicherte die Geängstete, so gut er es vermochte, in seinem kleinen Hause. Schon hörte man von allen Seiten schießen, schon sah man in der Nacht ringsum Kriegsfeuer lodern. Jetzt zeigte sich, dem Strome gegenüber, eine große Abtheilung des feindlichen Heeres. Die Gegend um das Zauberschloß wurde noch mehr befestigt, man wußte aber, daß man sich gegen die Uebermacht nicht würde halten können. Die Braut konnte aber nicht nach der Stadt oder nach einem entfernteren Orte gesandt werden, weil die Franzosen ringsum die Gegend schon besetzt hatten. Sie beschloß, mit dem Geliebten zu sterben. Jetzt wurde von jenseit mit Granaten und Kanonen auf die diesseitigen Verschanzungen gewirkt. Die deutsche Parthei, zwar die Minderzahl, erwiderte kräftig, und ihr Muth war so fest, als wenn sie des Sieges gewiß sei. Boote, Kähne, Schiffe mit Mannschaft, mit Kanonen besetzt, wurden vom Ufer losgelassen, um sich der tapfer vertheidigten Position, die zugleich die Stadt beschirmte, zu bemächtigen. Der Hauptmann stand mit einem Theil seiner Mannschaft unten, hart am Ufer des Flusses, um den Uebergang des Feindes zu verhindern. Ein großes Boot kommt näher, in ihm ein vornehmer alter Offizier der Gegenparthei. Sie erkennen sich gegenseitig, der Vater ist es, der dem Sohne zuruft, sich gefangen zu ergeben, oder sich dem Heere des französischen Kaisers anzuschließen. Der Sohn, schmerzlich bewegt, so dem Vater gegenüber zu stehen, erwiedert, wie der Soldat es muß. Er zieht sich auf die Anhöhe zurück, und sieht nur, daß der Vater gerettet werden möge. Dieser landet. Flinten, Büchsen, Kanonen, alles arbeitet mörderlich hinauf und hinunter. Schon ist die erste Anhöhe erstiegen, die Uniform des Vaters, sein Feldzeichen ist von oben genau zu erkennen, und um so mehr, je mehr er sich dem Zauberschlosse nähert. Man rückt höher, die zweite Anhöhe ist, allem Widerstände zum Trotz, eingenommen. Man fährt Kanonen hinauf. Der Vater selbst kommandirt und richtet nach dem Schlößchen, ein Schuß fällt, und im innern Gemache stürzt die Braut, mit zerschmettertem Haupte, zu Boden. Da ergreift ein ungeheurer Schmerz den Sohn; er zielt mit der Flinte, drückt ab, und der Vater fällt und liegt in seinem Blute. Das Pistol aus dem Gürtel reißend, in Verzweiflung die Mündung vor die Stirn setzend, noch einmal den Namen Louise, der Geliebten, nennend, liegt der Hauptmann getödtet neben der unseligsten aller Bräute.
    Um Gottes Willen! schrie Louise laut und kreischend auf. Die Mutter lief zu ihr und nahm sie in die Arme. Böser Mensch, sagte sie, so mein Kind zu ängstigen und zu erschrecken!
    Nein, es ist unerträglich, rief Louise, noch blaß und zitternd aus, alle diese neumodigen Geschichten sind mir mehr als verhaßt; eine schreckliche Angst ergreift uns, wenn so das Leben und Alles, was den Inhalt desselben ausmachen kann, auf eine unsinnige Spitze hinaufgetrieben wird, um das als das Vergänglichste und Aberwitzigste hinzustellen, was als das Festeste und Nochwendigste uns immerdar trösten und beruhigen

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