Das Zauberschloß
Henriette, betrachte nur dieses Gemälde, meine Louise, um Dich auf die rechte Bahn lenken zu lassen. Der Herr von Dobern, ein großer, schlanker, etwas finsterer und fast zu brünetter Mann von acht und vierzig Jahren, der niemals lächelt, niemals witzig ist, stets auf solide und auch wohl tugendhafte Handlungen sinnt, – und gegenüber Dein Carl, Hauptmann, leicht aufbrausend, liebenswürdig und eben darum verdächtig, der leichtsinnige Sohn eines noch leichtsinnigeren Vaters, – kannst Du denn wirklich noch wählen und zaudern?
Gut, daß mein Mann nicht zugegen ist, sagte die Mutter.
Der, antwortete schnippisch Henriette, wird doch immer wieder freundlich, wenn ich ihn recht freundlich ansehe. Der vortreffliche Herr von Freimund vergißt es nur täglich wieder von neuem: wie sehr er mich eigentlich liebt. – Aber weiter, mein Freund, in dieser schicksalsvollsten Schicksalsgeschichte.
Was ist noch zu erzählen? fuhr Mansfeld fort: Elend über Elend, Zwiespalt in der Familie, Bruder- und Schwesterhaß, Verfolgung, Neid. Der Fluch des Vaters, des alten, ging leider nur zu buchstäblich in Erfüllung. Die Enkel, als die frühere Generation gestorben war, zeichneten sich alle, wenn sie keine Bösewichter waren, durch Gebrechen des Geistes und des Körpers aus, Zwerge, Lahme, Bucklichte aller Art gab es in diesem Hause im Ueberfluß; manche wurden vor der Zeit kindisch, andre konnten gleich in der Jugend nichts begreifen, manchen versagte das Gedächtniß, einige waren wieder so zerstreut, daß sie ihren eigenen Namen zu Zeiten vergaßen.
Herr Mansfeld! rief die Mutter zornig, Sie vergessen sich und was Sie meinem guten, trefflichen Manne schuldig sind. Er ist kein Sprößling aus dieser Familie, wenn er gleich durch Kauf das unglückliche Gut an sich gebracht hat.
O weh! o weh! seufzte der Erzähler: kann man denn nichts Weltgeschichtliches, Romantisches, Zauberisches und Magisches erzählen oder andeuten, ohne irgend eine Wunde des Hörenden zu berühren? Ich schwöre noch einmal, daß ich nicht an unsern geehrten Freund gedacht habe, dessen Zerstreutheit, oder Abwesenheit, oder wie wir es nennen wollen, im Gegentheil von zu großem Fleiß und angestrengter Tugend herrührt und nichts mit dem Fluch oder den Sünden der Voreltern zu schaffen hat.
Fahren Sie nur fort, sagte Henriette, mit Entschuldigung wird die Sache nur schlimmer.
Wie gesagt, erzählte Mansfeld, Elend und Gebrechen so wie neue Sünden pflanzten sich, wie immer neu wucherndes Unkraut, in der gleichsam verzauberten Familie fort, und es blieb dunkel, wie viel von der Saat jenem Bösen gehöre, der mit dem Stammvater den Pakt damals abgeschlossen hatte. Endlich kam Haus und Erbe an einen jungen, schönen Mann von ausgezeichneten Tugenden –
Hier widerspricht sich nun die alte Sage vollkommen, warf Louise ein, und der Fluch scheint also längst getilgt.
Nur Geduld, rief der Erzähler, Sie werden sehn, wie der Fürst der Finsterniß das Geschlecht noch einmal zu Klarheit und Glanz auftauchen läßt, um den Untergang desselben noch tragischer zu machen. Dieser junge treffliche Mann war Soldat, er wohnte meist auf jenem kleinen Gute, welches ihm der Vater, ein würdiger Obrist, aber im Dienst eines andern Fürsten abgetreten hatte.
Also wieder ein würdiger Mann, sagte Henriette, und ich will wetten, der junge Mann ist ebenfalls Hauptmann.
Allerdings und ebenfalls, erwiederte Mansfeld, mögen Sie auch lachen, wie Sie wollen. Dieser junge Hauptmann also, in jeder ritterlichen Tugend geprüft, lebte, liebte, klagte, und war in seinem Glücke höchst unglücklich, denn wie ihn sein Mädchen auch anbetete, so war sein strenger Vater, ohne eben wichtige Ursache zu haben, der Verbindung doch mit der ganzen Kraft seines Charakters entgegen.
Das alte Lied, bemerkte Henriette; man verwundert sich sogar schon, wenn die Sache in einer Erzählung einmal anders erscheint.
Weil die jungen Leute, fügte die Mutter hinzu, immer nur auf ihrem Eigensinn beharren, den sie Liebe nennen: weil verständige Eltern, zu welchen auch Dein Vater, Louise, gehört, an die sogenannte Liebe nicht glauben wollen.
Ich weiß, sagte Mansfeld, Herr von Freimund hat darüber ein eigenes, merkwürdiges System, welches er uns jungen Leuten auch zuweilen vorträgt, um uns den Kopf zurecht zu setzen. Liebe, pflegt er zu sagen, ist nur als Leidenschaft und Raserei jenen tollköpfigen Poeten erlaubt, die uns dann jene fürchterlichen Tragödien ausarbeiten, welche uns die Haare
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