Das Zeichen des Vampirs - The Society of S
Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen würde, wenn er antwortete.
Aber es ertönte noch nicht einmal ein Freizeichen. Stattdessen hörte ich eine Stimme vom Band: »Kein Anschluss unter dieser Nummer. Bitte überprüfen Sie die gewählte Rufnummer.« Ich brauchte sie nicht zu überprüfen, ich kannte die Nummer ja auswendig. Aber als ich noch ein paar Münzen einwarf und sie erneut wählte, hörte ich dieselbe Ansage.
Verblüfft hängte ich den Hörer ein.
Als ich wieder zu meiner Mutter und ihren Freunden zurückkehrte, beendete Dashay gerade einen langen Satz mit den Worten: »... muss der Einfluss der Sanguinisten sein.«
Ich wusste, dass sie über meinen Vater gesprochen hatten; meine Mutter ließ mich ihre Gedanken hören. »Was sind Sanguinisten?«, fragte ich.
Sie sahen mich erstaunt an.
»Das ist eine bestimmte Gruppierung innerhalb der Gemeinschaft der Vampire«, erklärte Dashay. »Anscheinend hat
dir dein Vater nichts von ihnen erzählt. Du musst wissen, dass es unter den Vampiren verschiedene Gruppen gibt. Die Kolonisten sind zum Beispiel der Ansicht, Menschen sollten wie Tiere gehalten und als Blutspender gezüchtet werden. Dann gibt es auch noch die Reformer , denen es ausschließlich darum geht, die Menschen darüber aufzuklären, wie sehr ihnen die Vampire überlegen sind. Die Nebulisten sind ein kleiner extremistischer Haufen, der die menschliche Rasse am liebsten vollständig ausrotten würde. Ein reizendes Völkchen. Und dann gibt es auch noch die Gesellschaft der S. S steht für Sanguinisten . Sie sind überzeugte Umweltschützer - na ja, eigentlich so wie wir. Da die meisten von uns davon ausgehen, dass sie ewig leben, ist es nur natürlich, dass wir ein großes Interesse daran haben, die Erde zu schützen.
Die Sanguinisten gehen aber noch einen Schritt weiter. Sie leben enthaltsam und haben in der Regel keinen Umgang mit Sterblichen, obwohl sie der Meinung sind, dass Sterbliche, na ja, sagen wir mal, gewisse demokratische Rechte besitzen sollten. Die Sanguinisten halten es für unmoralisch, Menschen zu beißen oder zu vampirisieren.«
»Vampirisieren?«
»Sterbliche in Vampire zu wandeln«, übersetzte Bennett. »So nennt Dashay das immer.«
Dashay überging den Kommentar. »Die Sanguinisten sind besessen von der Idee, sich moralisch immer ultrakorrekt zu verhalten. Sie nehmen das Leben sehr, sehr ernst.«
»Wir gehören keiner Gruppierung an.« Mãe warf mir einen fragenden Blick zu. Anscheinend hatte sie gemerkt, dass ich meine Gedanken blockiert hatte.
»Wir sind Müslifresser.« Bennett lachte. »Du weißt schon, wir bauen Bio-Gemüse an und den ganzen anderen Öko-Kram.
Wir hängen keinen hochfliegenden Idealen an und lassen uns nicht von der Moral zerfressen.«
»Wir tun, was die Natur vorgesehen hat«, sagte Dashay. »Leben und leben lassen.«
»Manche Gruppierungen sind der festen Meinung, sie bräuchten täglich menschliches Blut, um zu überleben.« Meine Mutter hielt ihr Glas in die Höhe. »Dabei kommen wir mithilfe von Ergänzungsmitteln auch sehr gut ohne frisches Blut zurecht, solange wir auf eine ausgewogene Ernährung achten. Dein Vater war ein typischer Wissenschaftler - er hat sich nie sonderlich für Fragen der Ernährung interessiert«, fügte sie hinzu. »Er weiß gar nicht, wie wertvoll pflanzliche Nahrungsmittel sein können.«
»Das heißt, wir brauchen gar kein Blut?«
»Nein. Wir haben Ergänzungsmittel«, antwortete Dashay. »Wir müssen niemanden beißen. Was nicht heißt, dass wir keinen Spaß daran hätten, aber wenn es einem um den Energiekick geht, den kann man sich auch mit rohen Austern oder Sojabohnen holen - sie enthalten jede Menge Zink - oder eben mit Rotwein oder Picardo.«
»Ist fast das Gleiche.« In Bennetts Stimme schwang leises Bedauern mit. Ich fragte mich, wie er und Dashay zu Vampiren geworden waren. Überhaupt dachte ich, dass es sicher interessant wäre, die Lebensgeschichten der Leute zu erfahren, die heute in Flo’s Place versammelt waren.
»Und was ist mit Fleisch?«, fragte ich, während ich gleichzeitig versuchte, zu verarbeiten, dass mein Vater offensichtlich seinen Telefonanschluss abgemeldet hatte.
»Wir brauchen kein Fleisch«, antwortete meine Mutter. »Wir sind Pescetarier.«
»Fleisch schmeckt widerlich.« Bennett spreizte die Finger
und ließ sie wie Würmer in der Luft zappeln. »Aber die Sanguinisten essen es trotzdem. Sie glauben, dass Fleisch so eine Art Blutersatz ist, auf den sie nicht verzichten
Weitere Kostenlose Bücher