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Das Zeichen des Vampirs - The Society of S

Titel: Das Zeichen des Vampirs - The Society of S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hubbard
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die Flüssigkeit funkelte im Licht der von draußen hereinfallenden, untergehenden Sonne granatfarben.
    »Jedenfalls schmeckt er köstlich«, sagte meine Mutter und sah mich dann ernst an. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie seit unserem Gespräch am Fluss nicht ein einziges Mal gelächelt hatte. »Ich muss etwas mit meinen Freunden besprechen, Ariella«, sagte sie. »Du kannst gerne bleiben und zuhören, aber
vielleicht ist es zu langweilig für dich, weil ich mit ihnen über das reden will, worüber wir beide uns vorhin unterhalten haben. Vielleicht möchtest du lieber ein paar Songs aus der Jukebox aussuchen?« Sie griff in ihre Hosentasche und zog eine Handvoll Kleingeld heraus.
    Ich hatte keine Lust, die Geschichte noch mal zu hören. Außerdem gab es genügend Dinge, über die ich nachdenken musste. Also nahm ich die Münzen und mein Glas und ging zur Jukebox - einem rot, violett und gelb leuchtenden Ungetüm - hinüber. In dem Café in Saratoga Springs, in dem ich mit Kathleen öfter gewesen war, hatte auch eine gestanden, aber diese hier war dreimal so groß.
    Da mir keiner der Titel bekannt vorkam, suchte ich wahllos ein paar heraus - »Late Night, Maudlin Street« von Morrissey, »Marooned on Piano Island« von den Blood Brothers, »Lake of Fire« von den Meat Puppets und »Spook City« von den Misfits - und fütterte die Maschine mit meinen Fünfundzwanzig-Cent-Stücken. Als das erste Lied erklang, war es aber keines von denen, die ich gerade ausgewählt hatte, sondern ein Country-Song über einen »Ring of Fire«. Anscheinend kannten ihn alle in der Bar; immer wenn der Refrain kam, sangen ihn alle lauthals mit, bis auf meine Mutter und ihre Freunde, die in ihre Unterhaltung vertieft waren.
    Ich setzte mich neben die Jukebox auf einen Stuhl und beobachtete die anderen Gäste, die von Zeit zu Zeit zu mir herübersahen. Waren diese Leute womöglich alle Vampire? Oder war Picardo in diesem kleinen Winkel Floridas zufälligerweise einfach ein extrem beliebtes Getränk?
    Ich fand, dass sie ganz »normal« aussahen - es waren Menschen jeden Alters, jeder Größe und jeder Hautfarbe, die überwiegend normal gekleidet waren. Zwei Männer - vielleicht
KFZ-Mechaniker - trugen blaue Overalls, ein Pärchen war im schicken Anzug und Kostüm da. Eigentlich hätte ich in jeder x-beliebigen Kleinstadtkneipe sitzen können, wären da nicht die roten Getränke und die ungewöhnlichen Songs in der Jukebox gewesen und, wie mir plötzlich auffiel, die Tatsache, dass niemand hier übergewichtig war.
    Während ich die Gäste an der Theke beobachtete - der Kellner massierte gerade einer Frau, die vermutlich Stammgast war, die Schultern, der Barkeeper sang und nahm zwischendurch einen Schluck von seinem dunkelroten Getränk -, dachte ich an meinen Vater, der jeden Abend in seinem grünen Ledersessel saß und seinen Cocktail trank. Ganz allein. Ich fragte mich, welche Farbe wohl das Hemd hatte, das er heute trug. Und obwohl ich es leid war, über seine Vergangenheit nachzudenken, spulte ich das, was er mir darüber erzählt hatte, erneut in meinem Kopf ab.
    Als ich noch sehr klein war, ich konnte damals noch nicht einmal richtig sprechen, schenkte mir mein Vater ein Bilderbuch, das Findest du die sechs Unterschiede heraus? hieß. Den Titel konnte ich natürlich nicht lesen, aber das Prinzip verstand ich sofort: Auf zwei fast identischen, nebeneinanderstehenden Bildern (die meisten stellten Tiere oder außerirdische Lebewe sen dar) galt es, Unterschiede herauszufinden; zum Beispiel ein Auge, das auf dem einen Bild ein kleines bisschen anders geformt war als auf dem zweiten, oder der Schwanz einer Katze oder ein Schatten, die im zweiten Bild fehlten. Obwohl ich meinem Vater nicht sagen konnte, welches die Unterschiede waren, konnte ich sie ihm zeigen, und er nickte jedes Mal zustimmend.
    Als ich jetzt an das dachte, was mein Vater und meine Mutter mir erzählt hatten, standen mir die Unterschiede in ihren
Geschichten ganz klar vor Augen. Von allen Unstimmigkeiten beunruhigte mich eine ganz besonders und die betraf Dennis - warum hatte meine Mutter gesehen, wie er die Tür zu Malcolms Wagen geschlossen hatte? Ich wusste, wie sehr mein Vater Dennis vertraute, wie sehr er sich auf seine Loyalität verließ.
    In diesem Moment fasste ich einen Entschluss: Es war Zeit, zu Hause anzurufen.
    Ich ging zu dem Münzfernsprecher neben den Toiletten, warf die erforderliche Anzahl Münzen ein und wählte die Nummer meines Vaters in Saratoga Springs.

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