Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
allem, was ich hörte, war er nicht mehr von dieser Welt.«
»Wann ist er das schon?«
Sie hob nur kurz die Augenbrauen. »Jetzt muss man kein Genie sein, um rauszufinden, dass sich Cedric mit seiner Stiefmutter nicht gut verstanden hat. Sie behalten ihn also noch eine Weile zur Vernehmung.«
»Das wird ihm nicht gefallen. Was sagt sein Anwalt?«
»Ich stehe auf der falschen Seite, wissen Sie.«
»Sie wissen genauso gut wie ich, dass Cedric …« Er brach ab. Wussten sie es wirklich? Wusste er es? Cedric Darney war labil, phobisch, neurotisch. Seit einigen Jahren war er in Therapie, vor ein paar Monaten hatte er sich dazu überreden lassen, unterstützende Medikamente zu nehmen. Wusste er, wie Cedric auf die Medikamente wirklich ansprach? Wie er mit ihnen umging? So wie Isobel ihn ansah, dachte sie genau dasselbe. Ben hatte selbst schon über Skandale im Zusammenhang mit Psychopharmaka berichtet, die neu auf den Markt gekommen waren: Selbstmorde bei jugendlichen Patienten und Autoaggressionen waren signifikante Nebenwirkungen gewesen, die der Hersteller versuchte zu verschweigen. Warum sollte es nicht auch Medikamente geben, die einen ansonsten friedlichen, dazu noch stark introvertierten Menschen zum Mörder machten?
Hepburn sagte: »Die Kollegen kommen in ein abgelegenes Haus und finden dort eine Frau vor, die ermordet wurde …«
»Wie?«
»Erschlagen.«
»Einbrecher?«
»Ihr fehlt das halbe Gesicht. Aber lassen Sie mich weiterreden. Sie kommen also dorthin, es handelt sich offensichtlich um einen Täter, der eine Rechnung mit ihr offenhatte, und im Haus sitzt ein zugedröhnter junger Mann, er trägt Handschuhe, aber keine Schuhe und keinen Mantel. Die liegen blutverschmiert neben der Treppe. Draußen gibt es im Schnee nur seine Reifenspuren und seine Fußspuren. Was glauben Sie, was die Leute vor Ort denken?«
Bens Vater war eingenickt, aber als Hepburn mit Nachdruck »Eben!«, sagte, schreckte er auf und murmelte etwas, das Ben nicht verstand.
»Ich versuche, ihn anzurufen«, sagte Ben.
»Versuchen Sie’s lieber über seinen Anwalt. Die werden ihn nicht so gerne telefonieren lassen.«
Ben schob seinen Vater aus dem Büro, und Hepburn begleitete die beiden nach vorne. Er wollte sich gerade bedanken, als ihm einer der Uniformierten ins Wort fiel.
»Sergeant, ich komm hier nicht weiter. Die Frau will jemanden von der Mordkommission sprechen.«
Er zeigte auf eine Gestalt: dicke Daunenjacke, Wollhandschuhe und Mütze. Das Gesicht kaum zu erkennen. Als die Gestalt mitbekam, dass man über sie sprach, schoss sie auf Hepburn zu.
»Langsam«, sagte Hepburn, und der Uniformierte stellte sich der Frau in den Weg.
»Ich muss einen Mord melden«, sagte sie laut und versuchte, sich an dem Polizisten vorbeizuschieben. Was nicht gelang. »Lassen Sie mich los, verdammt!« Eine klare, kräftige Stimme mit Befehlscharakter. Der Akzent kaum zuzuordnen. Vielleicht amerikanische Oberschicht der Ostküste. Vielleicht eine Engländerin, die zu lange in New York gelebt hatte. »Mein Name ist Philippa Murray. Es geht um diese Lillian Darney. Ich weiß, wer sie getötet hat.«
»Hey, junge Frau. Machen Sie kein Theater. Ganz ruhig bleiben, okay?« Aber der Polizist hätte sich seine Ermahnung sparen können. Die Frau wehrte sich nicht und war auch nicht laut geworden. Sie hatte Hepburns Aufmerksamkeit, das reichte ihr.
»Darney«, sagte John Edwards und klang erstaunlich nüchtern. »Den Namen hab ich doch schon mal irgendwo gehört.«
Ben nahm seinen Vater am Arm und zog ihn ein Stück von Hepburn weg.
»Ruhig«, sagte er leise. Die Frau nahm ihre Mütze ab, und Ben sah ihr Gesicht: Lider und Nase gerötet, als hätte sie geweint, dunkle Schatten unter den Augen, die Lippen trocken, das Haar, das unter der Mütze hervorquoll, struppig.
»Meinst du, wir stören?«, flüsterte sein Vater, und Ben verpasste, was Hepburn zu der Frau sagte.
Sie antwortete gerade: »Sean Butler. Mein Freund. Oder Exfreund. Und ich habe Beweise.«
»Bringen Sie sie nach hinten«, sagte Hepburn zu dem Kollegen in Uniform, strich sich mit einer Hand durchs Haar und sah Ben und John an, als hätte sie ganz vergessen, dass sie noch da waren.
»Kein Wort darüber«, sagte sie Ben. »Auch nicht zu Cedric. Das bedeutet gar nichts.«
Natürlich. Je mehr Medienrummel ein Verbrechen versprach, desto höher die Frequenz der Verrückten, die etwas dazu zu sagen hatten. Entweder waren sie selbst die Täter, oder sie hatten unglaublich wichtige
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