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Das zweite Leben

Das zweite Leben

Titel: Das zweite Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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immer noch sein mußte, Raum und Zeit und ihre gegensätzlichen Wirkungen zu kalkulieren. Es kam auf die zehnte Stelle hinter dem Komma an.« Conlon holte Atem. »Heute stehen wir vor dem Nichts. Nicht einmal ein Apollo-Raumschiff könnten wir wieder konstruieren. Die Unterlagen sind zwar noch weitgehend vorhanden, aber es gibt niemand, der etwas mit ihnen anfangen kann. Goyer und seine Mitarbeiter sind tot. Aber wir brauchen die Raumfahrt, und sei es nur als eine Herausforderung für die Menschheit. Es gibt nur einen einzigen, der Goyers Arbeit fortführen könnte, weil er sich sein Leben lang mit der Raumfahrt und im Speziellen mit Goyers Arbeit auseinandergesetzt hat …«
    Conlon hatte sich in eine ungeheure Erregung hineingesteigert. Er versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. »Das sind Sie, Bürger Barclay. Sie, der an seinen Vater glaubte und deshalb alles an verfügbarem Wissen über unsere Raumfahrtprogramme gesammelt hat. Wir haben zwar die Filme und Berichte über Goyers letztes Experiment, doch sie sind nutzlos ohne einen Mann, der …«
    » Woher haben Sie sie?« fragte Barclay plötzlich. »Ich habe alles mitgenommen, was sich in Goyers Stahlschränken befand.«
    »Das schon. Eine der Goyer-Fähren kehrte von einem sehr langen Raumflug und einem sehr kurzen in der Zeit zur Erde zurück. Sie fand die Raumstation verlassen vor und mußte auf der Erde bruchlanden – vor genau drei Wochen. Eines der beiden Besatzungsmitglieder war schon wenige Stunden nach dem Start gestorben. Der Überlebende fand sich verloren in Raum und Zeit und mußte versuchen, den Weg zurück zur Erde zu finden. Er war regelrecht darauf angewiesen, sich mit kleinen Raumsprüngen auf das Sonnensystem ›einzuschießen‹, niemals sicher, ob der nächste Sprung ihn eine Million Kilometer oder zwanzig Lichtjahre weit befördern würde. Obwohl sein Kamerad tot war, reichte die Nahrung an Bord nur für eine knappe Woche.
    Er fand unser System schließlich. Doch als er an der Raumstation anlegte, war sie verlassen und desaktiviert. Die Luft war entwichen. Dazu kam, daß er über Funk niemand auf der Erde erreichen und um Hilfe oder Instruktionen bitten konnte. In Raumstationen gibt es keine Spinnweben und keinen Staub. Er hatte also keine Möglichkeit, abzuschätzen, wieviel Zeit während seines Fluges für uns vergangen war. Er hatte keine Wahl, wenn er nicht ersticken wollte. Also flog er die Erde an und versuchte eine Landung ohne Einweisung durch die Bodenstation.«
    Conlons Stimme klang nun fast andächtig, als er fortfuhr: »Und er hätte es geschafft, hätte man nicht in der Zwischenzeit die Landeflächen mit Häusern und Fabrikhallen zugebaut. Obwohl es fast eine Unmöglichkeit ist, eine im Landeanflug befindliche Raumfähre Wendemanöver ausführen zu lassen, schaffte er es, sie knapp an den Gebäuden vorbeizusteuern, bevor er den Behälter mit den während des Fluges gemachten Filmen und dem sonstigen wichtigen Material abwarf und sich schließlich selbst herauskatapultierte.«
    Conlon löschte das Bild auf dem Wandschirm und stand auf.
    »Er kam auf unebenem Gelände herunter und hatte mehr Glück als Verstand, daß er mit einem gebrochenen Fußknöchel und einigen Prellungen davonkam. Schlimmer ist seine psychische Verfassung. Abgesehen von allen menschlichen Erwägungen müssen wir ihn wieder auf die Beine bringen und ihm neuen Lebenswillen geben, wenn überhaupt eine Chance bestehen soll, Goyers Projekt fortzuführen. Das wird Ihre Aufgabe sein, Bürger Barclay – lebenslänglich.
    Ich habe ein Spiel mit Ihnen getrieben, Bürger. Dafür entschuldige ich mich. Aber Sie werden verstehen, daß wir jemand, dem eine so wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe wie Ihnen übertragen werden soll, gründlichst unter die Lupe nehmen müssen. Es ist weder für den Betroffenen noch für den Mann, der die Fragen zu stellen hat, ein Vergnügen. Übrigens bin ich kein Jurist, sondern gehöre zum medizinischen Stab, und ich versichere Ihnen, daß ich Sie fortan mit quälenden Fragen in Ruhe lasse und statt dessen alles tun werde, um Ihnen beratend zur Seite zu stehen. Sie werden es nicht leicht haben.« Conlon ging zur Tür neben dem Schreibtisch und öffnete sie. »Unser Patient hat auf seinem interstellaren Flug viel durchgemacht. Zu der Angst, niemals wieder zur Erde zurückzufinden, kamen Schuldgefühle wegen des Todes seines Kameraden, was offensichtlich seine Ursache in einem übersteigerten Verantwortungsgefühl hat.

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