Das zweite Vaterland
nicht, gerade wenn er’s braucht, auf sein Glück? Daran, wie ich den kleinen Elephanten einfangen sollte, wenn ich die beiden großen erlegt hätte, oder wie es mir gelingen sollte, ihn dann nach Felsenheim zu bringen, dachte ich im ersten Augenblicke nicht im geringsten. Ich legte das mit Kugeln geladene Gewehr an; zwei Schüsse krachten, und wenn sie auch die Elephanten trafen, so waren diese doch offenbar nicht ernstlich verwundet, denn sie begnügten sich, die Ohren zu schütteln und sich noch einmal eine tüchtige Menge Wasser ins Maul zu gießen.
»Kurz, sie drehten sich nicht einmal um, um zu sehen, von wo aus die Schüsse gekommen wären, und bekümmerten sich auch gar nicht um das Bellen Falbs. Ehe ich ein zweitesmal feuern konnte, waren sie weiter getrottet, diesmal aber so schnellen Schrittes, fast gleich dem Galopp eines Pferdes, daß ich auf ihre Verfolgung verzichten mußte.
»Noch ein paar Minuten hindurch tauchten die Kolosse zwischen den Bäumen und den Büschen auf, von denen sie mit dem Rüssel grüne und dürre Zweige abknickten, und dann waren sie völlig verschwunden.
»Jetzt handelte es sich für mich darum, den Rückweg zu finden und zunächst um die Richtung, die ich einschlagen sollte. Die Sonne neigte sich dem Untergange zu und im Tannenwalde mußte es bald dunkel werden. Selbstverständlich mußte ich nach Westen zu gehen, doch ob ich mich dabei mehr nach links oder nach rechts zu halten hätte, dafür fehlte mir jeder Anhalt. Ich hatte weder Ernsts Compaß zur Hand, noch verfügte ich über das ihm eigene Orientierungsvermögen, das ja fast dem eines Chinesen gleichkommt. Natürlich war ich in nicht geringer Verlegenheit.
»Schließlich mußte es mir doch gelingen, meine eigene Fährte oder wenigstens die der Elephanten zu entdecken, wenn das auch durch die zunehmende Dunkelheit erschwert wurde. Außerdem kreuzten sich im Walde zahlreiche Fährten. Aus der Ferne hörte ich auch die Trompetenstößen ähnlichen Laute von Elephanten; die Thiere kamen wahrscheinlich des Abends nach dem kleinen Wasserlaufe zusammen.
»Ich sah bald ein, daß ich meinen Weg vor dem Aufgang der Sonne nicht wiederfinden würde, und auch Falb fand sich trotz seines Instinctes offenbar nicht mehr zurecht.
»Eine Stunde lang irrte ich so aufs Gerathewohl dahin, ohne zu wissen, ob ich der Küste näher kam oder mich von ihr entfernte. Ach, liebe Mutter, glaube mir, daß ich mir meiner Unüberlegtheit wegen schwere Vorwürfe gemacht habe, am meisten bekümmerte mich aber der Gedanke, daß Herr Wolston und Ernst es wahrscheinlich noch nicht aufgegeben hätten, nach mir zu suchen. Das mußte ihre Rückkehr nach Felsenheim verzögern und Euch hier nicht wenig Sorge machen, indem wir nicht zu der auf Ernsts Zettel angesagten Zeit ankamen. Für diesen und Herrn Wolston bedingte das noch weitere Beschwerden, und alles das war meine Schuld!
– Ja freilich, Deine Schuld, mein Sohn, sagte der ältere Zermatt, und wenn Du, als Du allein davon gingst, nicht an Dich dachtest, hättest Du doch an Deine Begleiter und an uns denken sollen.
– Das ist nicht zu bestreiten, fiel Frau Zermatt, ihren Sohn umarmend, ein, er hat einen großen Fehler begangen, einen Fehler, der ihm hätte das Leben kosten können. Doch da wir ihn wieder haben, sei ihm das verziehen!«
Jack erzählte weiter.
»Ich komme nun zu dem Theile meiner Abenteuer, wo sich meine Lage arg verschlimmerte.
»Bisher hatte ich ja keine ernste Gefahr zu erleiden gehabt. Mit meinem Gewehre konnte ich für die nöthige Nahrung sorgen, selbst wenn eine ganze Woche verging, ehe ich den Weg nach Felsenheim wiederfand. Folgte ich nur der Küste, so mußte ich ja früher oder später dahin kommen. Mit den Raubthieren, deren es in jenem Theile der Insel viele zu geben scheint, hoffte ich ebensogut fertig zu werden, wie bei so mancher früheren Gelegenheit.
»Vorzüglich zürnte ich mir, weil ich annehmen mußte, daß Herr Wolston und Ernst sich so vergeblich abmühen würden, meine Fährte zu entdecken. Vielleicht hatten sie, wie ich, eine östliche Richtung durch den hier weniger dichten Wald eingeschlagen und waren womöglich gar nicht so weit entfernt von der Stelle, wo ich Halt gemacht hatte…
»Der schlimmste Umstand war, daß es nun bald Nacht werden mußte. Deshalb hielt ich es für das beste, gleich an jener Stelle zu bleiben und hier ein Feuer anzuzünden, einmal, weil Herr Wolston und Ernst das vielleicht hätten bemerken können, und dann, weil dessen
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