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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Inseln zu unserem Besten erschüfe, obwohl er damit in dieser Gegend thatsächlich sehr sparsam gewesen ist!
    – Ja, wo befinden wir uns denn jetzt?
    – Das kann ich, selbst auf einige hundert Lieues genau, leider auch nicht sagen, gestand John Block. Acht Tage, acht endlos lange Tage haben die elenden Kerle uns im unteren Schiffsraume eingeschlossen, so daß wir den Curs nicht beobachten, nicht sehen konnten, ob sie nach Norden oder Süden zu steuerten. Jedenfalls mußte das Schiff tüchtig treiben, denn geschlingert und gestampft hat es die ganze Zeit über gerade genug!
    – Ich glaub’ es wohl, John Block, daß wir damals eine große Strecke fortgekommen sind, doch in welcher Richtung?
    – Das kann ich eben nicht sagen, versicherte der Steuermann. Sind wir nach der Seite des großen Oceans hin getrieben worden, statt nach dem Indischen Meere hinauf zu fahren? Am Tage der Meuterei befanden wir uns noch Madagascar gegenüber. Da der Wind damals aber stetig aus Westen blies, wer weiß da, ob das Schiff nicht mehrere hundert Lieues weit, vielleicht nach den Inseln Sanct Paul und Amsterdam zu, gelaufen ist?
    – Dorthin, wo gerade Wilde von der schlimmsten Sorte hausen, schaltete James Wolston ein. Uebrigens waren die, die uns ausgesetzt haben, auch um kein Haar besser!
    – Auf jeden Fall, erklärte John Block, wird der elende Borupt den Curs der »Flag« gewechselt und sich nach Meerestheilen gewendet haben, wo er einer Bestrafung leichter entgehen könnte, um dort mit seinen Spießgesellen Seeräuberei zu treiben. Ich meine also, wir waren von unserem Reisewege schon weit weg, als die Schaluppe ausgesetzt wurde. Wenn sich in der Gegend hier nur eine Insel, wäre es auch nur eine unbewohnte, vorfindet, dann ist uns schon geholfen! Jagd und Fischfang würden uns die Nahrung liefern, irgend eine Höhle uns Unterkommen bieten. Warum sollten wir aus einer solchen Insel nicht dasselbe machen, was die Schiffbrüchigen des »Landlord« aus der Neuen Schweiz gemacht haben? Mit tüchtigen Armen, mit Umsicht und Entschlossenheit sollten wir doch…
    – Gewiß, fiel James Wolston ein. Jene hatten aber den gescheiterten »Landlord« in der Nähe, dessen Ladung sie bergen konnten, wir dagegen haben von dem Frachtgute der »Flag« nichts… gar nichts!«
    Das Gespräch erlitt jetzt eine Unterbrechung, da eine vom Schmerz halberstickte Stimme hörbar wurde.
    »Zu trinken!… Zu trinken! lauteten die kaum verständlichen Worte.
    – Das ist der Kapitän, rief einer der Insassen. Das Fieber verzehrt ihn! Zum Glück fehlt es uns nicht an Wasser, und ich will gleich…
    – Das ist meine Sache, fiel der Obersteuermann ein. Nehme einer von Euch das Steuer. Ich weiß, wo die Wassertonne steht, schon einige Tropfen werden für unseren Kapitän eine Erquickung sein.«
    John Block erhob sich von der Bank am Achter und schritt dem Vordertheile der Schaluppe zu.
    Die drei anderen Passagiere blieben stillschweigend zurück und erwarteten die Rückkehr des Mannes.
    Schon nach zwei bis drei Minuten nahm John Block seinen Platz wieder ein.
    »Nun, wie steht’s? fragte einer der Drei.
    – Es war mir bereits jemand zuvorgekommen, antwortete John Block. Einer unserer guten Engel kniete schon beim Kapitän, träufelte ihm etwas frisches Wasser auf die Lippen und kühlte seine schweißbedeckte Stirne. Ob Herr Gould bei Bewußtsein war oder nicht, das kann ich nicht entscheiden. Er schien mir mehr nur zu phantasieren. »Das Land muß doch da draußen liegen!« stieß er wiederholt mühsam hervor, und dabei schwankte seine Hand hin und her wie der Wimpel eines Großmastes, der nach allen Seiten flattert. Ich antwortete ihm: »Ja wohl, Herr Kapitän, ja wohl! Land ist nicht mehr fern. Wir werden es bald anlaufen, ich fühlte es… dort im Norden!« Da ist übrigens auch etwas Wahres daran, wir alten Theerjacken, wir fühlen so etwas vorher. Dann setzte ich noch hinzu: »Fürchten Sie nichts, Herr Kapitän, es geht alles gut! Wir haben eine solide Schaluppe und ich werde sie schon auf dem richtigen Wege halten. Hier in der Umgegend müssen so viele Inseln sein, daß uns nur die Auswahl schwer fallen wird. Wir werden aber schon eine finden, die uns paßt!« Er verstand mich auch, der arme Mann, das bin ich überzeugt, denn als ich die Bordlaterne näher an sein Gesicht hielt, sah ich ihn lächeln, freilich recht sterbenstraurig lächeln. Auch den guten Engel blickte er wehmüthig an. Dann schlossen sich seine Augen und er verfiel gleich wieder in

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