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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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durch die Refraction scheinbar schon höher schwebenden Sonnenscheibe berührte die jetzt scharfe Kreislinie zwischen Himmel und Wasser. Fast sofort hefteten sich die Strahlenbündel an die kleinen Wolken, die im Zenith hingen, so daß sie in allen Abstufungen des Roth erglühten. Nur von den im Norden lagernden dichten Dunstmassen wurden sie aufgehalten und konnten diese nicht durchdringen. Das nach rückwärts schon sehr erweiterte Gesichtsfeld blieb nach vorn zu noch immer recht beschränkt. Die Schaluppe ließ jetzt einen wirbelnden Kielwasserstreifen hinter sich, dessen Weiß von dem sonst grünlichen Wasser auffallend abstach.
    In diesem Augenblick trat, in ihrem Horizontaldurchmesser stark vergrößert, die Sonne vollständig hervor. Kein Dunst verschleierte ihren Glanz, der den Augen ganz unerträglich wurde. Ihr wendeten sich auch die Blicke nicht zu, wohl aber der fast entgegengesetzten Seite. Die Passagiere bemühten sich nur, den Norden im Auge zu behalten, den Norden, dem die Brise sie zutrieb. Was die Dunstwand in dieser Richtung verhüllte, darüber wollten sie sich vor allem unterrichten, nenn nur die Sonne Kraft genug hatte, den Schleier davor zu lüften.
    Endlich, kurz vor halb sieben Uhr, kletterte einer der Passagiere behende bis zur Segelstenge hinauf, gerade als die Sonnenstrahlen auch den Himmel im Norden zuerst beleuchteten.
    Da rief eine laute Stimme jubelnd:
    »Land!… Land im voraus!«
Achtzehntes Capitel.
Die Abfahrt der »Licorne«. – Das Cap der Guten Hoffnung. – James Wolston und seine Familie. – Abschied von Doll. – Portsmouth und London. – Aufenthalt in England. – Die Vermählung Fritz Zermatt’s und Jenny Montrose’s. – Rückkehr nach Capetown.
    Am 20. October war die »Licorne« von der Neuen Schweiz abgesegelt, um nach England heimzukehren. Bei der Rückfahrt von da sollte sie, nach einem kurzen Aufenthalt am Cap der Guten Hoffnung, Fritz und Franz Zermatt, Jenny Montrose und Doll Wolston wieder mitbringen, wenn die Admiralität die amtliche Besitznahme der neuen Colonie im Indischen Meere veranlaßte. Die Plätze, die früher die Familie Wolston, welche jetzt auf der Insel wohnte, eingenommen hatte, waren nun von den beiden Brüdern besetzt. Jenny und ihrer jungen Begleiterin Doll, die nach Capetown zu James Wolston, seiner Frau und beider Kind gehen sollte, war eine bequeme Cabine eingeräumt worden.
    Nach Umsegelung des Caps der Getäuschten Hoffnung steuerte die »Licorne« nach Süden und ein wenig nach Westen, wobei sie die Insel des Rauchenden Felsen an Steuerbord liegen ließ. Ehe die Neue Schweiz aus dem Gesichtskreise verschwand, kam dem Lieutenant Littlestone noch der Gedanke, deren Ostküste zu besichtigen, sich dabei zu überzeugen, daß es sich hier wirklich um eine, in diesem Meerestheile vereinzelt liegende Insel handelte, und annähernd den Werth und die Bedeutung einer Colonie abzuschätzen, die unter dem Inselbesitze Großbritanniens wahrscheinlich bald eine gewisse Rolle spielen sollte. Nach dieser Besichtigung segelte die Corvette bei günstiger Brise weiter und ließ die Insel, deren südliche Küste theilweise durch Nebel verhüllt geblieben war, im Nordwesten hinter sich.
    Die ersten Wochen der Seefahrt verliefen in erwünschtester Weise. Die männlichen und weiblichen Passagiere der »Licorne« hätten eine bessere Witterung gar nicht treffen und ein freundlicheres Entgegenkommen, als es ihnen hier von dem Commandanten und den Schiffsofficieren zu theil wurde, gar nicht finden können. Saßen dann alle bei Tafel in der Officiersmesse oder unter dem Sonnendache des Decks bei einander, so bewegte sich das Gespräch meist um die Wunder der Neuen Schweiz. Diese hoffte man nach einem Jahre wiederzusehen, wenn die Corvette im Verlaufe der Hin-und Rückfahrt, oder von Seiten der englischen Behörden keinerlei Verzögerung erlitt.
    Fritz und Jenny sprachen bei ihren täglichen Plaudereien vor allem vom Oberst Montrose, von der unendlichen Freude, mit der er diese Tochter, die er ja wiederzusehen schon lange nicht mehr gehofft hatte, in die Arme pressen würde. Seit drei Jahren fehlte es an jeder weiteren Nachricht von dem »Dorcas«, dessen in Sydney gelandete Ueberlebende nur den gänzlichen Verlust des Schiffes gemeldet hatten. Und mit welchen, über die der Dankbarkeit hinausreichenden Gefühlen würde Jenny ihrem Vater den vorstellen, der sie gerettet hatte, mit welch glücklicher Empfindung würde sie ihn bitten, ihren Bund für’s Leben zu

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