Das zweite Vaterland
wo in aller Welt soll sie denn sonst sein, als hinter der verwünschten Nebelbank im Norden?
– Das wünschen wir freilich, sagte James Wolston, doch wünschen allein genügt leider nicht!«
Klarheit konnte hierüber freilich nur erlangt werden, wenn der Wind mehr auffrischte.
Das verzögerte sich noch eine Zeitlang und es wurde drei Uhr, ehe die halb aufgegeiten Segel erkennen ließen, daß sie benützt werden konnten.
Jetzt wurden die Riemen eingezogen. Fritz und Franz machten das Focksegel klar und hißten es dann mit aller Kraft, während der Obersteuermann die Schote hielt.
Noch wußte freilich niemand, ob die Brise stetig genug bleiben werde, den Nebel wirklich zu zerstreuen.
Zwanzig Minuten verstrichen in dieser Ungewißheit, dann nahmen die Wellen ein wenig zu und schlugen an die Seite der Schaluppe, so daß der Obersteuermann diese mit dem Wrickruder in eine günstigere Lage bringen mußte. Nun schwellten auch Fock-und Klüversegel an, daß sich ihre Schoten spannten.
Vorläufig und bis der Wind den Horizont reingefegt hatte, wurde der Curs nach Norden beibehalten.
Der Ausblick mußte sich ja klären, wenn die Brise bis zum Horizonte fortgeschritten war. Voller Erwartung blickten alle nach dieser Seite hinaus. Zeigte sich das Land nur einen Augenblick, so genügte das John Block vollkommen, sicher darauf zuzusteuern.
Der Dunstvorhang theilte sich jedoch nicht, obgleich der Wind beim weiteren Sinken der Sonne an Stärke zu gewinnen schien. Das Fahrzeug glitt jetzt ziemlich schnell dahin. Fritz und der Obersteuermann legten sich schon die Frage vor, ob sie nicht über die Insel – wenn es eine solche war – hinausgefahren wären, oder ob sie nicht im Osten oder Westen ein Festland umschifft hätten, wenn es sich hier um ein Festland handelte.
Nun tauchten auch wieder allerlei Zweifel auf. Vielleicht hatte sich Fritz doch getäuscht, und es war gar kein Land, was er im Norden gesehen hatte.
Dagegen verwahrte er sich freilich mit aller Bestimmtheit. Habe er es auch nur allein sehen können, so habe er es doch gesehen… mit den eigenen Augen gesehen…
»Es war ein hohes Vorland, erklärte er von neuem, eine Art Steilufer mit fast ebenem Kamme, das ich unmöglich mit einer Wolke verwechseln konnte.
– In der Zeit, wo wir nun darauf zuhalten, warf Fritz ein, müßten wir das Land aber erreicht haben; es sollte ja kaum mehr als fünf bis sechs Lieues von uns entfernt liegen.
– Sind Sie Ihrer Sache sicher, John Block, ließ sich Franz vernehmen, daß die Schaluppe immer darauf zu, immer genau nach Norden hin segelte?
– Ja… es ist immerhin möglich. daß wir einen falschen Weg eingeschlagen haben, erklärte der alte Seemann. Ich halte es überhaupt für richtiger, abzuwarten, bis der Horizont klar geworden ist, müßten wir auch die ganze Nacht über hier liegen bleiben.«
Das war vielleicht das klügste. Befand sich die Schaluppe schon in der Nähe einer Küste, so durfte man sich mit ihr jetzt nicht zwischen die Klippen wagen, die jene höchst wahrscheinlich umrahmten. Gespannt lauschend, bemühten sich auch alle, etwas von dem Donner einer Brandung zu hören, denn das schlimmste wäre es doch gewesen, von einer solchen ans Ufer geschleudert zu werden.
Nichts… man vernahm nichts von dem langen, dumpfen Grollen der Wellen, wenn sie sich an einem Felsgewirr brechen oder schäumend über einen sanft abfallenden Strand auslaufen.
Hier galt es aber immerhin, mit Klugheit vorzugehen. Der Obersteuermann ließ deshalb gegen fünf Uhr die Focksegel einziehen, während das Klüversegel gehißt blieb, um die Wirkung des Steuers zu erhöhen.
Gewiß war es das beste, die Fahrgeschwindigkeit der Schaluppe zu vermindern, bis ihre Lage mit Sicherheit erkannt war, und das konnte nur eintreten, wenn das Land deutlich sichtbar geworden war.
Nach Einbruch der Nacht mußte das Fahrzeug ja ernsthaft Gefahr laufen, wenn es sich einer unbekannten Küste zu weit näherte. Bei mangelndem Winde hätte es ja auch eine Strömung darauf zutreiben können. Unter solchen Umständen würde ein Schiff nicht bis zum Abend gezögert haben, sich auf freiem Wasser in Sicherheit zu bringen. Was einem größerem Fahrzeuge leicht ausführbar erscheint, ist es freilich nicht für ein einfaches Boot. Gegen den auffrischenden Südwind anzukreuzen, damit hätte man sich, abgesehen von der dadurch bedingten schweren Arbeit, der Gefahr ausgesetzt, zu weit von der jetzigen Stelle abzukommen.
Die Schaluppe trieb also unter ihrem
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