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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Fahrt nach Osten zurückgelegt hatte. Und wenn das Unglück sie verurtheilte, hier ebensolange zu leben, wie die Familie Zermatt auf ihrer Insel, wenn die Schaluppe sich für eine längere Seefahrt unzureichend erwies, wenn ihr Vertrauen, trotz der schon überstandenen Prüfungen doch dahinschwinden sollte, wie verzweifelt mußten erst die sein, die in weiter Enfernung auf sie warteten!
    Dieser Gedanke beschäftigte unablässig Fritz und Jenny, Franz, James und dessen Frau und Schwester, ja sie vergaßen sogar den Ernst der sie bedrohenden Gefahren, um nur an ihre Eltern und Freunde zu denken.
    Jetzt war schon der 13. October. Vor fast einem Jahre war die »Licorne« von der Insel abgesegelt, an der sie um diese Zeit hatte wieder landen sollen. In Felsenheim zählten die beiden Zermatts, Ernst und Jack, Herr und Frau Wolston und deren Tochter sehnsüchtig die Tage… die Stunden…
    Alle wollten bei dem Eintreffen der Corvette gegenwärtig sein, wenn diese, das Cap der Getäuschten Hoffnung umsegelnd, sich mit Kanonenschüssen meldete, auf die die Batterie der Haifischinsel antworten sollte. Was würden sie aber nach einem, nach zwei Monaten sagen! Zunächst wahrscheinlich, daß widrige Winde die »Licorne« zurückhielten, daß sie nicht zur vorausbestimmten Zeit von England habe abfahren können, vielleicht daß ein Seekrieg ihre Fahrt störte… nie würden sie aber annehmen, daß das Fahrzeug etwa mit Mann und Maus zu Grunde gegangen sein könnte.
    Nach einigen Wochen, und nach ihrer Ausbesserung in Capetown erschien die »Licorne« jedenfalls in den Gewässern der Neuen Schweiz. Die Familien Zermatt und Wolston erfuhren dann, daß die Abwesenden sich auf der »Flag« eingeschifft hatten, die an ihrem Bestimmungsort nicht eingetroffen war. Wäre es dann möglich zu bezweifeln, daß dieses Fahrzeug bei einem der so häufigen Stürme im Indischen Ocean untergegangen wäre?…
    Das betraf indeß die Zukunft; die Gegenwart aber drohte noch mit so vielerlei ernsten Zwischenfällen, daß man sich mehr mit diesen beschäftigte.
    Seitdem Franz Land in Sicht gemeldet hatte, war Block bemüht gewesen, nach Norden zu steuern, obwohl das ohne Compaß seine Schwierigkeiten hatte. Die von Franz angegebene Lage des Landes beruhte ja nur auf einer Schätzung. Wenn die Dunstmassen sich auflösten oder der Horizont sich wenigstens auf seiner nördlichen Seite aufhellte, mußte es leichter werden, auf die Küste zuzuhalten. Leider verbarg aber der dichte Nebelschleier noch immer die Uferlinie, die für Beobachter auf der Meeresoberfläche vier bis fünf Lieues entfernt liegen mochte.
    Inzwischen waren die Riemen jedoch ausgelegt worden und Fritz, Franz und James ruderten aus Leibeskräften. Bei ihrer Erschöpfung konnten sie die schwer belastete Schaluppe jedoch nicht gerade schnell vorwärts treiben, und es nahm deshalb den ganzen Tag in Anspruch, die Strecke, die sie von der Küste trennte, zu überwinden.
    Wenn sie nur nicht obendrein noch von widrigen Winden betroffen wurden! Da wäre es doch besser, daß die jetzige vollkommene Ruhe der Luft bis zum Abend anhielte. Eine nördliche Brise hätte ja das kleine Fahrzeug wieder weit vom Lande weg verschlagen.
    Zu Mittag betrug die seit dem Morgen zurückgelegte Strecke kaum eine Lieue; der Obersteuermann glaubte daraus schließen zu dürfen, daß daran eine Gegenströmung schuld sein werde, wenn es sich nicht einfach um eine Wirkung der Ebbe handelte. Bestand hier wirklich eine dauernde Gegenströmung, so mußten sie wohl davon absehen, gegen diese anzukämpfen.
    Gegen zwei Uhr Nachmittag rief da John Block, der einmal aufgestanden war:
    »Es springt wieder eine Brise auf… ich fühle es! Da wird uns das Klüversegel allein bald mehr nützen, als unsere Ruder!«
    Der erfahrene Seemann täuschte sich nicht. Nach wenigen Minuten begann die Meeresfläche von Südosten her sich leicht zu kräuseln und kleine Wellen klatschten an die Längswand der Schaluppe.
    »Da… da… die Bestätigung Ihrer Prophezeiung, Block! sagte Fritz. Die Brise ist nur leider so schwach, daß wir trotzdem noch werden rudern müssen.
    – Ja freilich, Herr Zermatt, antwortete der Obersteuermann, immer noch tüchtig auslegen, bis wir mit dem Segel allein nach der Küste kommen können.
    – Wo aber ist sie denn? fragte Franz, dessen Augen vergeblich die dichte Dunstwand zu durchschauen suchten.
    – Dort vor uns… ohne jeden Zweifel!
    – Ist das wirklich so gewiß, Block? fragte Franz auf einmal.
    – Ja,

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