Das zweite Vaterland
Vorbereitungen waren am Morgen des 26. beendigt. Gegen Mittag bemerkte Fritz mit einiger Unruhe, daß vom Süden her Wolken herauszogen. Trotz ihrer großen Entfernung ließen sie doch eine fahle Färbung erkennen. Ein Luftzug war kaum zu spüren. Die schweren Wolken wälzten sich dicht gedrängt heraus. Wenn das Wetter losbrach, mußte es gerade über die Schildkrötenbucht hinwegziehen.
Bisher hatten die äußersten Felsblöcke vor dem Vorberge die Schaluppe gegen die Ostwinde geschützt. Auch von der anderen Seite hätten die Westwinde ihr wenig anhaben können, da sie, von den Tauen festgehalten, so leicht nirgends anstoßen konnte. Rollten aber hohe Wogen vom offenen Meere herein, so fehlte dem Fahrzeug der Schutz und es konnte vielleicht zertrümmert werden.
An die Aufsuchung eines anderen Ankerplatzes an der Rückseite des Högels oder des Vorberges war gar nicht zu denken. weil hier selbst bei ruhigem Wetter eine heftige Brandung stand.
»Was sollen wir nun thun?« fragte Fritz den Obersteuermann, der freilich auch keinen Rath wußte.
Noch bestand die Hoffnung, daß das Unwetter sich austobte, ehe es die Küste hier erreichte. Lauschte man aufmerksam, so ließ sich trotz der Windstille doch schon ein fernes Grollen hören. Offenbar war das Meer weiter draußen stark aufgewühlt, und auch in der Nähe huschte zuweilen ein leichter Windstoß, der ihm eine bleigraue Färbung verlieh, darüber hin.
Harry Gould betrachtete den Horizont.
»Wir sind von einem schlimmen Wetter bedroht, sagte Fritz zu ihm.
– Das fürchte ich auch, antwortete Harry Gould, von einem schlimmeren, als wir es erwarten konnten.
– Herr Kapitän, mischte sich der Obersteuermann ein, jetzt ist aber nicht die Zeit, die Hände in den Schoß zu legen, jetzt heißt’s: die Arme einölen, wie die Matrosen sagen.
– Wir wollen versuchen, die Schaluppe weit auf den Strand herauf zu schleppen, drängte Fritz, der nach James und seinem Bruder rief.
– Ja, versuchen wir das, stimmte Harry Gould ein, die steigende Fluth wird uns dabei unterstützen. Inzwischen wollen wir unser Fahrzeug so viel wie möglich erleichtern.«
Das war jedenfalls das einzige, was zu thun war. Alle gingen an die Arbeit, die Segel wurden auf den Ufersand geworfen, der Mast niedergelegt, das Steuer ausgehoben, Bänke und Spieren ausgeladen und in die Höhle geschafft.
Als das Wasser den höchsten Stand erreicht hatte, konnte die Schaluppe gegen zehn Toisen weiter herausgezogen werden. Um sie aber gegen den Anprall der Wellen zu sichern, mußte sie wenigstens um das Doppelte aufs Land hinauf geschleppt werden.
Mangels anderer Hilfsmittel, ließ der Obersteuermann Planken unter ihren Kiel legen, worauf sie leichter hingleiten könnte, und alle vereinigten sich nun, sie von der Stelle zu ziehen. Vergebliche Mühe! Das schwere, zum Theil im Sande liegende Fahrzeug rückte nicht einen Fuß weiter über die letzte Fluthgrenze hinaus.
Gegen Abend drohte der Wind sich zum Orcan zu entwickeln. Aus den am Zenith angehäuften massigen Wolken zuckten häufige Blitze hernieder, denen furchtbare, vom Echo am Steilufer noch verstärkte Donnerschläge folgten
Obwohl die Schaluppe bei fortschreitender Ebbe jetzt schon hätte wieder trocken liegen sollen, stürmten die höher angeschwollenen Wogen doch unter ihr dahin und hoben sie wenigstens am Hintertheile in die Höhe.
Jetzt stürzte auch der Regen in großen, gleichsam mit Luftelektricität geladenen Tropfen herab, die beim Aufschlagen auf den Ufersand zu explodiren schienen.
»Meine liebe Jenny, sagte Fritz, Du darfst nicht länger mehr hier draußen bleiben. Ich bitte Dich… geh’ in die Grotte zurück, auch Sie, Doll, und Sie ebenfalls, Frau Wolston.«
Jenny wollte ihren Mann nicht gern verlassen, doch jetzt mischte sich auch der Kapitän ein.
»Ziehen Sie sich zurück, Frau Zermatt, sagte er.
– Und Sie, Herr Kapitän, erwiderte die junge Frau, Sie sollten sich doch mehr schonen!
– Ich habe nichts mehr zu befürchten, entgegnete Harry Gould.
– Jenny… ich wiederhole Dir… geh’ zurück… es ist die höchste Zeit!« sagte Fritz.
Jenny, Doll und Suzan flüchteten nach der Höhle in dem Augenblick, wo der mit Hagelkörnern vermischte Regen in Masse herabzustürzen anfing.
Harry Gould, der Obersteuermann, Fritz, Franz und James, die bei dem Fahrzeuge blieben, hatten große Mühe, sich gegen den über den Strand hinfegenden Sturm aufrecht zu halten. Schon hüllte der Wasserstaub der überbrechenden Wogen
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