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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hinzu.
    – Die britische! rief der Obersteuermann. Seht dort, das rothe Flaggentuch mit dem Unionyac in der oberen Ecke!«
    Der Wind war ein wenig stärker geworden und hatte jetzt die britische Flagge völlig entfaltet.
    Mit erneuten Kräften schwangen sich alle von einem Felsblock zum anderen. Hundertfünfzig Fuß trennten sie noch vom Gipfel; sie fühlten aber keine Anstrengung, dachten kaum daran, Athem zu schöpfen… immer stiegen sie, von einer übermenschlichen Kraft getrieben, nur höher, höher hinaus.
    Gegen drei Uhr standen endlich der Kapitän Gould und seine Gefährten auf der Spitze des Bergkegels.
    Doch nochmals erfuhren sie eine herbe Enttäuschung, als sie nach Norden hinausblickten. Ueber Sehweite hinaus lagerte ein dichter Nebel, der es unmöglich machte, zu erkennen, ob das Plateau hier ebenso wie an der Schildkrötenbucht mit einem steilen Abfalle endigte oder sich noch weiter hinaus fortsetzte. Durch den fast dunkeln Nebel war gar nichts zu erkennen. Ueber der Dunstschicht aber strahlte die schon nach Westen hinabsinkende Sonne noch in vollem Glanze.
    Unter den gegebenen Umständen beschloß man, nöthigenfalls bis zum anderen Tage an Ort und Stelle auszuhalten und zu warten, bis der Wind einmal den Nebel verscheuchte. Entschieden wollte keiner umkehren, ohne den nördlichen Theil des Eilandes gesehen zu haben.
    Hier wehte ja die britische Flagge im Hauche der Brise, ein Zeichen, daß dieses Land gewiß schon einen bestimmten Namen führte, und daß es wahrscheinlich seiner geographischen Länge und Breite nach bereits auf den Seekarten eingetragen sei.
    Die Kanonenschüsse am vorigen Abend konnten wohl ein zur Ehrung der Flagge abgegebener Salut gewesen sein; möglicherweise bot jener Theil der Küste auch eine Art Hafen zum Ausruhen und vielleicht ankerten jetzt ebenda gar einige Schiffe.
    War das Land hier auch thatsächlich weiter nichts als ein Eiland, so war es doch nicht zu verwundern, daß Großbritannien davon Besitz genommen hätte, da jenes an der Grenze des Indischen und des Stillen Oceans lag. War es aber ein Theil eines Festlandes, so konnte es recht wohl zu den wenig bekannten Gebieten Australiens gehören, die sich an die unter britischer Herrschaft stehenden Strecken anschließen.
    Wie erklärlich, dachte man an alle diese Möglichkeiten, malte sie aus und wog man ihre Wahrscheinlichkeit gegeneinander ab. denn mit der größten Ungeduld sah jeder dem Augenblicke entgegen, wo die Wahrheit an den Tag kommen sollte.
    Da hörte man plötzlich den Schrei eines Vogels und darauf einen schnellen Flügelschlag.
    Jennys Albatros war es, der davonflog und über der Nebelschicht hin sich nach Norden zu entfernte.
    Wohin begab sich der Vogel?… Vielleicht nach einer fernen Küste?…
    Sein Davoneilen erweckte allgemein ein Gefühl der Traurigkeit und selbst der Angst… es erschien allen wie ein Abschied für immer…
    Die Zeit verstrich, das nur wenig anhaltende Wehen eines leichten Windes konnte den Nebel nicht verscheuchen, der in großen Wolken um den Faß des Kegels wogte. Es schien wirklich, als sollte die Nacht herankommen, ohne daß sich der nördliche Horizont den Blicken gezeigt hätte.
    Doch nein, alle Hoffnung sollte noch nicht verloren sein. Als die Dunstmassen sich zu senken begannen, konnte Fritz erkennen, daß der Bergkegel kein Steilufer, sondern einen sanft abfallenden Boden überragte, der wahrscheinlich bis zum Meere in gleicher Abdachung verlief.
    Als dann der Wind mehr zunahm, so daß das Flaggentuch sich spannte, konnte man die Böschung bequem hundert Faß weit übersehen.
    Sie bildete keine Anhäufung von Felsblöcken, sondern die Flanke einer Art Höhenzuges und zeigte sogar einigen Pflanzenwuchs, einen Anblick, den die armen Verlassenen seit so vielen Monaten entbehrt hatten.
    Wie freudig betrachteten alle die weiten, grünenden Flächen, die Gebüsche, Aloěs, Mastixbäume und die Myrthenbäume, die sich da und dort erhoben. Jetzt wollte niemand mehr warten, bis der Nebel sich zerstreute, alle drängte es, vor Einbruch der Dunkelheit nach dem jenseitigen Fuße des Berges zu kommen.
    Und siehe da!… acht-bis neunhundert Fuß weiter unten tauchten durch die Risse in dem Nebelschleier die Wipfel eines Waldes auf, der sich mehrere Lieues weit ausdehnte; darauf folgte eine fruchtbare Ebene mit vereinzelten Gesträuchen und Baumgruppen und offenen Feldstücken nebst umfänglichen Wiesen mit mehreren Wasserläufen, deren bedeutendster nach einer Einbuchtung im Osten

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