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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Ein Ausruf Fritzens.
    Regungslos, das Herz vor Erregung fast gelähmt und die Augen starr nach Norden gerichtet, lauschten alle und wagten kaum Athem zu holen. Sollten sie nur in einer Täuschung befangen sein?… Nein… das war nicht anzunehmen. Von fernher ertönten noch einige Schüsse, deren Krachen der schwache Wind hierher trug.
    »Das ist ein Schiff, das draußen vor jener Küste vorbeisegelt! begann endlich Harry Gould.
    – Gewiß, der Geschützdonner kann nur von einem solchen herrühren, und wenn es erst völlig dunkel ist, können wir vielleicht gar seine Positionslichter erkennen.
    – Ja, warum sollten jene Kanonenschüsse, fiel Jenny ein, nicht ebenso gut vom Lande herrühren können?
    – Vom Lande, liebe Jenny, antwortete Fritz. Da müßte sich also doch Land in der Nähe dieser Insel finden?
    – Ich glaube weit mehr, daß dort im Norden ein Schiff hinfährt, wiederholte der Kapitän Gould.
    – Wozu hätte es dann aber Kanonenschüsse abgegeben? fragte James.
    – In der That… wozu jene Schüsse?« wiederholte Jenny.
    Hielt man die Ansicht des Kapitäns für richtig, so mußte man auch annehmen, daß das betreffende Schiff von der Küste nicht sehr weit entfernt sein könnte. Vielleicht waren, wenn es erst ganz dunkel wurde, auch der Feuerschein der Geschützentladung und schließlich auch noch seine Positionslichter zu erkennen. Da der vernommene Kanonendonner von Norden her kam, war es erklärlich, daß das Schiff selbst nicht sichtbar war, da man nach dieser Seite hin ja auch das Meer nicht sehen konnte.
    Jetzt war nun keine Rede mehr davon, wieder nach dem Hohlwege und nach der Schildkrötenbucht umzukehren. Wie das Wetter sich auch gestalten mochte, wollten doch alle bis zum Tagesanbruch an Ort und Stelle bleiben. Steuerte ein Schiff freilich im Osten oder Westen vorbei, so war es des Mangels an Holz wegen leider unmöglich, auf der Höhe des Steilufers ein Feuer zu entzünden, um sich mit ihm in Verbindung zu setzen.
    Jedenfalls hatten die entfernten Detonationen aber alle, die sie hier vernahmen, bis zum tiefsten Innern erregt, machten sie doch den Eindruck, als ob sie die Verlassenen wieder mit ihresgleichen verknüpften, als ob dieses Eiland jetzt minder vereinsamt im großen Meere läge.
     

    Es war mehr ein Gemsenklettern, als eine Fußwanderung. (S. 381.)
     
    Da empfanden alle das unwiderstehliche Verlangen, sich über die möglichen Folgen dieses Zwischenfalles für ihre endliche Erlösung auszusprechen. Gern wären sie auch, ohne erst den nächsten Tag abzuwarten, bis an das Ende des Plateaus vorgedrungen, um nach Norden hin den Theil des Meeres, von wo aus der Schall der Schüsse gekommen war, übersehen zu können. Der Abend sank aber schon herab, es mußte sehr bald Nacht werden, eine Nacht ohne Mond und Sterne, und noch mehr verdunkelt durch die Wolken, die der Wind nach Süden trieb. Wie hätten sie sich aber in der Finsterniß zwischen das Felsengewirr hineinwagen können? Was am Tage schon ziemlich schwierig war, mußte ja in der Nacht ganz unausführbar sein. Damit trat denn an jeden die Aufgabe heran, sich hier, so gut es anging, einzurichten. Nach mancher vergeb lichen Bemühung entdeckte der Obersteuermann endlich einen Schlupfwinkel, einen etwas geschützten Raum zwischen zwei Felsblöcken, wo Jenny, Doll, Suzan und der kleine Knabe wenigstens Unterkommen finden konnten, wenn es hier auch an seinem Sand oder einer Schicht trockenen Tangs, sich darauf auszustrecken, gebrach. Doch gleichviel, bot die Stelle doch Schutz gegen den Wind, im Falle daß dieser wieder auffrischte, und selbst nothdürftig gegen Regen, wenn die Wolken sich in dieser Höhe öffnen sollten.
    Zunächst wurde nun der Proviant hervorgeholt und jeder aß mit vortrefflichem Appetit. Eßvorrath war ja für mehrere Tage vorhanden, so daß es wahrscheinlich nicht nöthig wurde, zu dessen Erneuerung zur Grotte zurückzukehren. Uebrigens war in Bezug der Ernährung, selbst in Erwartung einer Ueberwinterung an der Schildkrötenbucht, jede Besorgniß unbegründet.
    Die Nacht war hereingebrochen… eine scheinbar endlose Nacht, deren lange Stunden niemand je vergaß, außer dem kleinen Bob, der im Arme seiner Mutter schlummerte. Rings herrschte tiefe Finsterniß, bei der die Lichter eines Schiffes gewiß mehrere Lieues weit zu erkennen gewesen wären.
    Mit dem Kapitän Gould blieben auch die anderen Männer die ganze Zeit über wach. Ihre Blicke schweiften unablässig nach Osten, Süden und Westen, in der

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