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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Stunde lang, in der sie, etwas ansteigend, kaum eine Lieue zurückgelegt hatten. Das Aussehen und die Natur des Plateaus zeigte keinerlei Veränderung.
    Jetzt wurde es gebieterisch nöthig, einmal zum Ausruhen Halt zu machen.
    Fritz erbot sich zwar, mit dem Kapitän und dem Obersteuermann gleich noch weiter vorzudringen, um den übrigen eine vielleicht nutzlose Bemühung zu ersparen.
    Dieser Vorschlag wurde aber einstimmig verworfen; vielmehr sollte jede Trennung vermieden werden. Alle wollten zur Stelle sein, wenn sich das Meer im Norden zeigen würde… vorausgesetzt, daß das überhaupt geschah.
    Gegen neun Uhr ging die Wanderung weiter. Der Nebel am Himmel mäßigte die Hitze der Sonne. In dieser Jahreszeit wäre sie sonst fast unerträglich gewesen auf dem Steinfelde, worauf deren Strahlen zu Mittag fast lothrecht herunterschoffen.
    Das sich nach Norden zu verlängernde Plateau wurde auch in westöstlicher Richtung immer breiter, so daß das bis dahin in dieser Richtung sichtbar gebliebene Meer den Blicken bald entschwinden mußte. Im übrigen fand sich nirgends ein Baum, nirgends eine Spur von Pflanzen… überall dieselbe Dürre, dieselbe Verlassenheit. Weiter nach vorne zu zeigten sich da und dort kleinere Bodenerhebungen. Um elf Uhr wurde aber der kahle Gipfel eines Bergkegels sichtbar. der diesen Theil des Plateaus um etwa dreihundert Fuß überragte.
    »Dort… dort hinauf müssen wir gelangen! rief Jenny.
    – Jawohl, antwortete Fritz, von dort aus werden wir einen sehr weiten Umkreis übersehen können. Vielleicht wird nur der Aufstieg sehr beschwerlich sein.«
    Das war jedenfalls zu erwarten; alle waren aber so gespannt, endlich Aufklärung zu erhalten, daß niemand, trotz Mühen und Gefahren, hätte zurückbleiben wollen. Und doch, wer konnte wissen, ob die armen Leute nicht einer letzten Enttäuschung entgegengingen, die ihnen alle bisher bewahrte Hoffnung raubte!
    Alle wendeten sich nun dem etwa dreiviertel Lieue entfernten Bergkegel zu. Wie beschwerlich war aber jeder Schritt, wie langsam kamen sie weiter durch die hunderte von Blöcken, die sie überklettern oder umkreisen mußten. Es war mehr ein Gemsenklettern, als eine Fußwanderung. Der Obersteuermann bestand darauf, Bob zu tragen, den seine Mutter ihm auch anvertraute. Fritz und Jenny, Franz und Doll, sowie James und Suzan hielten sich immer dicht zusammen, um einander bei gefährlichen Wegstellen helfen zu können.
    So kam die zweite Nachmittagstunde heran, ehe sie den Fuß des Berges erreichten. Hier mußte nochmals Rast gemacht werden, denn sie hatten vom letzten Ruhepunkte aus immerhin fünfzehnhundert Toisen zurückgelegt.
    Der Aufenthalt wurde nur kurz bemessen, und schon nach zwanzig Minuten begann der Aufstieg.
    Der Kapitän Gould hatte beabsichtigt, eine Art Schlangenweg einzuschlagen, um einen zu steilen Aufstieg zu vermeiden, es zeigte sich indeß, daß der Bergfuß nicht gangbar war. Alles in allem handelte es sich ja doch nur darum, dreihundert Fuß hoch emporzuklimmen.
    Zu Anfang fand dabei der Fuß zwischen Felsblöcken auf einem Boden mit dürftigem Pflanzenwuchs, mit Büscheln von Sandhafer, einen Stützpunkt, an dem man sich doch ein wenig anhalten konnte.
    Eine halbe Stunde genügte, bis zur halben Höhe hinauszukommen. Da stieß Fritz, der den übrigen voran war, einen Schrei der Ueberraschung aus.
    Alle blieben stehen und sahen nach ihm hin.
    »Was ist denn das da?« sagte er, nach der obersten Spitze hinaufzeigend.
    Dort ragte nämlich zwischen den letzten Felsstücken eine fünf bis sechs Faß lange Stange empor.
    »Sollte das der entblätterte Zweig eines Baumes sein? sagte Franz.
    – Nein, das ist kein Zweig, erklärte der Kapitän Gould.
    – Es ist ein Stock… eine Art Bergstock, versicherte Fritz, ein Stock, den man da oben eingesenkt…
    – Und an dem man eine Flagge befestigt hat, setzte der Obersteuermann hinzu, denn die Flagge ist noch daran vorhanden!«
    Eine Flagge auf dem Berggipfel!
    Ja, eben entfaltete sich das Flaggentuch im leichten Winde, doch waren dessen Farben der Entfernung wegen noch nicht zu erkennen.
    »Es giebt also doch Bewohner dieses Eilandes! rief Franz.
    – Unzweifelhaft,… es ist bewohnt, meinte Jenny.
    – Und wenn es doch nicht der Fall wäre, erklärte Fritz, so steht wenigstens das eine fest, daß bereits jemand davon Besitz genommen hat.
    – Ja, welches Eiland ist es denn eigentlich? fragte James Wolston.
    – Oder vielmehr, welche Flagge ist die da oben? setzte Harry Gould

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