Das zweite Vaterland
Augenblick verlassen.
O, welche Erleichterung, als keine Pirogue mehr zu sehen war! Die Insel war endlich von den gefährlichen Feinden befreit. Die Familien konnten bald nach Felsenheim zurückkehren, wo vielleicht nur unbedeutende Beschädigungen auszubessern waren. Dann hatte man nur noch auf das Erscheinen der »Licorne« zu warten. Die letzten Besorgnisse waren zerstreut… alle, alle sahen sich nach so vielen Schicksalsschlägen wieder glücklich vereinigt.
»Gehen wir nun gleich nach Felsenheim? fragte Jack in seiner Ungeduld, das Eiland zu verlassen.
– Ja… ach ja… rief die nicht minder ungeduldige Doll, der sich auch Franz anschloß.
– Wäre es nicht besser, bis morgen zu warten? bemerkte Jenny. Was denkst du wohl darüber, Fritz?
– Dasselbe wie Herr Wolston, der Kapitän Gould und mein Vater, antwortete Fritz, das heißt, die nächste Nacht noch auf dem Eiland zuzubringen.
– Ganz recht, ließ sich der ältere Zermatt vernehmen, ehe wir wieder in Felsenheim einziehen, muß doch erst entschieden sein, ob die Wilden nicht an eine Rückkehr dahin denken.
– O, die sind ja schon zum Teufel, rief Jack, und der Teufel läßt nie aus den Krallen, wen er einmal gepackt hat. Nicht wahr, wackerer John Block?
– Na… zuweilen doch,« antwortete der Obersteuermann.
Trotz des Drängens Jacks entschied man sich doch dafür, die Abfahrt bis zum nächsten Morgen zu verschieben, und die letzte Mahlzeit, die auf dem Eiland eingenommen werden sollte, sah alle noch einmal beisammen.
Es ging dabei recht fröhlich zu, und als es dunkel wurde, dachten wohl alle daran, der oft entbehrten Ruhe zu pflegen.
Alle Umstände ließen vermuthen, daß diese Nacht vom 29. zum 30. Januar ebenso ruhig verlaufen werde, wie die vielen friedlich stillen Nächte, die die Bewohner der Neuen Schweiz schon in Felsenheim oder Falkenhorst verbracht hatten.
Weder die Herren Zermatt und Wolston, noch die anderen wollten jedoch die bisher beobachteten Vorsichtsmaßregeln gänzlich ausgesetzt wissen, obgleich seit dem Verschwinden der Piroguen jede unmittelbare Gefahr beseitigt schien. Man beschloß also, daß die einen die nächtlichen Rundgänge fortsetzen sollten, während die anderen bei der Batterie auf Wache bleiben wollten.
Offenbar ging der Kampf seinem Ende entgegen. (S. 453.)
Sobald Frau Zermatt und Frau Wolston, Jenny, Doll, Annah und Suzan sich im Vorrathshause zurückgezogen hatten, begaben sich Jack, Ernst, Franz und John Block, das Gewehr im Arme, nach dem nördlichen Ende des Eilandes; Fritz und der Kapitän Gould erstiegen wieder den Hügel und machten sich einen Platz unter dem Schutzdache zurecht, wo sie bis zum Sonnenaufgang Wache halten sollten.
Herr Wolston, der ältere Zermatt und James blieben im Vorrathshause zurück, wo es ihnen gestattet wurde, bis zum Tagesanbruch zu schlummern.
Die Nacht war dunkel, der Mond nicht am Himmel. In den oberen Luftschichten sammelten sich Dunstmassen, die von dem stark erwärmten Erdboden aufstiegen. Der Wind hatte sich gegen Abend fast ganz gelegt. Ueberall herrschte tiefes Schweigen. Man hörte nichts als den Wellenschlag der ansteigenden Fluth, die seit acht Uhr eingetreten war.
Harry Gould und Fritz tauschten, nebeneinander sitzend, ihre Erinnerungen an alle die glücklichen und unglücklichen Ereignisse aus, die sie seit der Aussetzung der Schaluppe von der »Flag« erlebt hatten. Von Zeit zu Zeit trat einer hinaus und richtete bei einem Gange um die Batterie die Blicke vorzüglich nach dem dunklen Meeresarme zwischen den zwei Caps.
Nichts hat die Stille der Einsamkeit bis zwei Uhr Nachts unterbrochen, als der Kapitän und Fritz durch einen Knall aus ihrem Gespräche aufgeschreckt wurden.
»Ein Flintenschuß!« sagte Harry Gould.
– Ja, und der wurde von jener Seite her abgefeuert, antwortete Fritz, indem er nach dem Nordosten des Eilands hinwies.
– Was geht denn da vor?« rief der Kapitän Gould.
Unter dem Schutzdache hervorstürmend, suchten beide in der tiefen Finsterniß einen Lichtschein zu entdecken.
Da krachten schon zwei weitere Schüsse, und diesmal aus geringerer Entfernung.
»Die Piroguen sind zurückgekommen!« sagte Fritz.
Harry Gould bei der Batterie zurücklassend, eilte er hastig nach dem Vorrathshause.
Hier standen der ältere Zermatt und Wolston, die die Schüsse gehört hatten, bereits auf der Schwelle.
– »Was giebt es denn? fragte der ältere Zermatt.
– Ich fürchte, Vater, antwortete Fritz, daß die Wilden eine
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