Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
ihrer Patronen verschossen. Wenn man auf die Geschosse der Kanonen beschränkt war, die nicht so tief hinunter gerichtet werden konnten, um den Fuß des Hügels zu bestreichen, wie hätte man damit dessen Gipfel selbst vertheidigen sollen?.
    Sofort wurde eine Berathung gepflogen, um sich über die Lage allseitig aufzuklären. Wenn es sich als unmöglich erwies, den Widerstand unter den jetzigen Verhältnissen lange fortzusetzen, war es dann nicht vielleicht ausführbar, die Haifischinsel zu verlassen, am Ufer bei Falkenhorst zu landen und im Innern des Gelobten Landes oder in einem anderen Theile der Insel Zuflucht zu suchen und zwar alle, diesmal alle? Oder war es empfehlenswerther, sich rücksichtslos auf die Wilden zu stürzen und die Ueberlegenheit der Feuerwaffen gegenüber den Bogen und Pfeilen auszunützen, um die Wilden wieder zur Abfahrt zu zwingen? Der ältere Zermatt und seine Gefährten waren freilich nur ihrer neun gegen hundert Feinde, die den Hügel belagerten.
    In diesem Augenblicke ertönte, gleich einer Antwort auf den letzten Plan, das Schwirren von Pfeilen in der Luft, von denen einige im Dache des offenen Schuppens stecken blieben, zum Glücke aber niemand verwundet wurde.
    »Der Angriff beginnt von neuem, sagte John Block.
    – Also Achtung… alle Achtung!« rief Fritz.
    Wüthender als vorher stürmten die Eingeborenen heran, die vor den Kugeln und Kartätschen alle Scheu verloren zu haben schienen. Dazu begann die Munition knapp zu werden und das Feuer wurde mäßiger. Einzelne tollkühne Burschen krochen den Hügelabhang hinauf und erreichten wirklich dessen Höhe. Eine Entladung der beiden Geschütze aus nächster Nähe säuberte den Platz wieder von einigen Feinden, während Fritz, Jack, Franz, James und John Block mit den übrigen handgemein wurden. Da stürmten alle heran, hinweg über die Gefallenen, die am Fuße des Hügels lagen. Sie benützten jetzt nicht ihre Bogen, sondern eine andere Waffe, die zum Theile Axt, zum Theile Keule war, und in ihrer Hand zum furchtbaren Angriffsmittel wurde.
    Offenbar ging der Kampf seinem Ende entgegen. Die letzten Kugeln waren verschossen, die Ueberzahl mußte siegen. Der ältere Zermatt und seine Gefährten versuchten sich noch rings um den Schuppen zu halten, der jetzt doch bald erstürmt werden mußte. Im Handgemenge mit mehreren Eingeborenen waren Fritz. Franz, Jack und Harry Gould nahe daran, nach dem Fuße des Hügels hinabgedrängt zu werden. Der Kampf mußte in wenigen Augenblicken zu Ende sein und der Sieg der Wilden war gleichbedeutend mit der Niedermetzelung aller, denn von diesen unmenschlichen Feinden war keine Schonung zu erwarten.
    Da – es war genau acht Uhr fünfundzwanzig Minuten – ertönte, von dem wieder auffrischenden Nordwinde hierhergetragen, ein donnernder Schuß vom Meere vor der Insel.
    Die Angreifer mußten ihn gehört haben, denn die vordersten wichen plötzlich zurück.
    Fritz, Jack und die anderen drangen, einige nur leicht verwundet, wieder nach dem Schuppen zu vor.
    »Ein Kanonenschuß… rief Franz.
    – Und zwar aus einem Schiffsgeschütze… darauf verstehe ich mich! erklärte der Obersteuermann.
    – Da ist also ein Schiff in der Nähe, sagte der ältere Zermatt.
    – Das ist die »Licorne«, antwortete Jenny.
    – Und Gott ist es, der sie uns sendet!« murmelte Franz.
    Eben hallte das Echo von Falkenhorst eine zweite und nähere Detonation zurück, und diesmal flüchteten die Wilden eiligst bis unter den Schutz der Bäume.
    Sofort eilte Jack nach dem Flaggenmaste und erkletterte, gewandt wie ein Marsgast, dessen Spitze.
    »Ein Schiff!… Ein Schiff!« rief er.
    Alle Augen richteten sich nach Norden.
    Jenseit des Caps der Getäuschten Hoffnung und dicht hinter seiner Spitze zeigten sich die vom Morgenwinde geschwellten oberen Segel eines Fahrzeuges.
    Ein Dreimaster mit Backbordhalsen war im Begriff, das Cap zu umschiffen, das von dieser Stunde an das »Cap der Erlösung« genannt wurde.
    Am Top des Besanmastes dieses Schiffes wehte die Flagge Großbritanniens.
    Frau Zermatt, Frau Wolston, Jenny, Annah, Doll und Suzan traten aus dem Schuppen hervor und erhoben in freudiger Dankbarkeit die Hände gen Himmel.
    »Und jene Räuber? fragte Fritz.
    – In voller Flucht! antwortete Jack, der sich eben am Flaggenmast heruntergleiten ließ.
    – Nun ja, in voller Flucht, setzte John Block hinzu, und wenn sie nicht schnell genug ausreißen, wollen wir ihnen doch mit unseren letzten Vierpfündigen auf die Beine

Weitere Kostenlose Bücher