Das zweite Vaterland
Hoffnung der Reihe nach bei allen Anlagen und Bauten auf dem Gelobten Lande anzulegen.
Zuerst geschah das bei der Villa des Prospect-Hill, die auf dem von üppigem Grün bedeckten Hügel lag, welcher Aussicht bis nach Falkenhorst hin gewährte. Hier wurde die Nacht zugebracht… es war eine lange Zeit vergangen, seit Jenny sich eines so friedlichen Schlummers wie in dieser Nacht erfreut hatte.
Fritz und Jack waren dann gleich am frühesten Morgen mit dem Kajak abgefahren, um in Felsenheim alles zur Aufnahme der jungen Engländerin vorzubereiten. Nach ihnen stieß auch die Pinasse wieder vom Ufer und legte darauf an der Walfischinsel an, die von vielen Kaninchen bevölkert war. Der ältere Zermatt überwies Jenny die kleine Insel als Eigenthum, ein Geschenk, das mit großem Danke angenommen wurde.
Von hier aus hätten die Insassen der »Elisabeth« ihren Weg vollends zu Lande zurücklegen und dabei die Meierei von Waldegg und die in der Luft, d. h. auf jenem Riesenbaume gelegene Wohnung Falkenhorst besuchen können. Zermatt und seine Gattin wünschten aber, das Vergnügen, die neue Lebensgefährtin dahin zu führen, ihrem Fritz zu überlassen.
Die Pinasse segelte also weiter längs des Ufers bis zum Schakalbache hin. Schon als sie in die Rettungsbai einfuhr, wurde sie durch eine Salve von drei Kanonenschüssen von der Batterie der Haifischinsel begrüßt. Gleichzeitig hißten Fritz und Franz die roth und weiße Flagge zu Ehren des jungen Mädchens.
Der junge Mann bemerkte ein Stück grobes Segeltuch. (S. 63.)
Nachdem diese Salve mit den zwei kleinen Stücken der Pinasse erwidert worden war, stieß Zermatt in demselben Augenblick ans Ufer, wo Fritz und Jack aus dem Kajak stiegen, und nun ging die ganze wiedervereinigte Familie das Land hinauf, um nach Felsenheim zu gelangen.
Ein Wilder!… Ein Wilder!« (S. 69.)
Jenny war nicht wenig überrascht, als sie den kühlen, mit freundlichem Grün geschmückten Raum betrat und die Einrichtung und Ausstattung der einzelnen Abtheilungen darin betrachtete; noch mehr aber, als sie im Speisezimmer die große Tafel erblickte, die Fritz und sein Bruder zurecht gemacht hatten, das Porzellangeschirr, die Trinkschalen aus Bambusrohr, die Schüsseln aus Cocosnuß, die Tassen aus Straußeneiern und daneben die Bestecke europäischer Herkunft, die einst vom »Landlord« geborgen worden waren.
Die Mahlzeit bestand aus frischen Fischen, einem Geflügelbraten, einem Wasserschweinschinken und aus Früchten verschiedener Art, wozu Meth und Canarienwein als angenehme Getränke aufgetragen waren.
Jenny Montrose bekam bei Tische den Ehrenplatz zwischen Herrn und Frau Zermatt. Und neue Thränen perlten ihr aus den Augen, warme Freudenthränen, als sie ein oben über die Tafel gespanntes und mit Blumen geschmücktes Band gewahrte und darauf die Worte las:
»Ein Lebehoch für Jenny Montrose!… Gesegnet sei ihr Erscheinen in dem Gebiete des schweizerischen Robinson!«
Das junge Mädchen erzählte nun ihre Geschichte.
Jenny war die einzige Tochter des Majors William Montrose, eines Officiers der indischen Armee, und hatte von der frühesten Kindheit an ihren Vater von Garnison zu Garnison begleitet. Ihrer Mutter schon im Alter von sieben Jahren beraubt, war sie unter der Fürsorge ihres Vaters mit dem Ziele erzogen worden, sie für die Kämpfe des Lebens zu befähigen, wenn sie einmal ihre letzte Stütze auf Erden verlieren sollte.
Neben der Unterweisung in allem, was für ein junges Mädchen wissenswerth erschien, wurde sie vorzüglich zu stärkenden Körperübungen angehalten, vor allem zum Reiten und zur Jagd, wofür sie übrigens eine für ihr Geschlecht ungewöhnliche Vorliebe zeigte.
In der Mitte des Jahres 1812 erhielt der inzwischen zum Oberst ernannte Major Montrose den Befehl, nach Europa an Bord eines Kriegsschiffes zurückzukehren, das Veteranen der englisch-indischen Armee wieder in die Heimath befördern sollte.
Zur Führung eines Regiments auf einer Expedition in weiter Ferne berufen, kehrte er von dieser, aller Wahrscheinlichkeit nach, nur zurück, um seinen Abschied zu nehmen. Seine zur Zeit siebzehnjährige Tochter war deshalb genöthigt, in ihr Vaterland zurückzukehren, wo sie bei einer in London wohnenden Tante, einer Schwester des Obersten, Aufenthalt nehmen sollte. Hier hatte sie gedacht, die Rückkehr ihres Vaters abzuwarten, der dann endlich von den Strapazen eines so lange Zeit dem Heeresdienst gewidmeten Lebens ausruhen sollte.
Da Jenny
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