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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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einem fünfstöckigen Backsteinhaus, dessen Fenster mit Sperrholz vernagelt waren. Ein gewaltiges Plakat, zwei Stockwerke hoch, zeigte eine junge Mutter, die ihr totes Kind aus einem brennenden Gebäude trägt. TOD DEN KINDERMÖRDERN! stand darunter. Nachdem der Riese seinen Schlüssel aus der Manteltasche gefischt hatte, schloss er die Haustür auf und hielt sie uns auf. Ich packte Kolja beim Ärmel, bevor er eintreten konnte.
    »Warum bringen Sie die Eier nicht einfach runter?«, fragte ich den Riesen.
    »Ich bin noch am Leben, weil ich weiß, wie ich mein Geschäft zu führen habe. Ich mache keine Geschäfte auf der Straße.«
    Ich spürte, wie sich mein Skrotum zusammenzog, meine furchtsamen Klöten sich dichter an meinen Körper schmiegten. Aber ich war in Piter geboren und aufgewachsen, ich war nicht auf den Kopf gefallen, und so versuchte ich, mit möglichst fester Stimme zu sprechen.
    »Und ich mache keine Geschäfte in der Wohnung von Unbekannten.«
    »Aber meine Herren, meine Herren«, sagte Kolja, breit grinsend. »Wer wird denn gleich so misstrauisch sein. Ein Dutzend Eier. Nennen Sie Ihren Preis.«
    »Tausend.«
    »Tausend Rubel? Für ein Dutzend Eier?« Ich lachte laut. »Sind die von Faberge?«
    Der schwarzbärtige Riese, der noch immer die Tür aufhielt, stierte finster auf mich herab. Ich hörte auf zu lachen.
    »Da hinten verkaufen sie Gläser mit Dreck drin für hundert Rubel«, teilte er mir mit. »Was ist besser, ein Ei oder ein Glas Dreck?«
    »Hören Sie«, sagte Kolja, »Sie können gerne den ganzen Tag hier rumstehen und mit meinem kleinen jüdischen Freund feilschen, oder aber wir verhandeln wie ehrliche Männer. Wir haben dreihundert Rubel. Mehr haben wir nicht. Sind wir uns einig?«
    Der Riese stierte mich weiter an. Er hatte mich von Anfang an nicht leiden können; jetzt, da er wusste, dass ich Jude bin, hätte er mir am liebsten die Haut abgezogen. Er hielt Kolja die mächtige Pranke hin, wollte das Geld haben.
    »In diesem Punkt muss ich leider die Partei meines Kameraden ergreifen«, sagte Kolja kopfschüttelnd. »Erst die Eier, dann das Geld.«
    »Ich bring sie nicht hier raus. Jeder ist am Verhungern und jeder hat ein Schießeisen.«
    »Sind Sie nicht viel zu groß, um so viel Angst zu haben?«, fragte Kolja neckend.
    Der Riese musterte Kolja mit so etwas wie Neugier, als könnte er nicht so recht glauben, eine Beleidigung gehört zu haben. Schließlich lächelte er, ließ wieder diese würfelweißen Zähne blitzen.
    »Da draußen liegt ein Mann mit dem Gesicht nach unten«, sagte er und deutete mit dem Kinn Richtung Fontanka. »Den hat nicht der Hunger erwischt, auch nicht die Kälte. Dem hat man mit einem Backstein den Schädel eingeschlagen. Willst du wissen, woher ich das weiß?«
    »Alles klar«, sagte Kolja liebenswürdig. Er spähte in den dunklen Flur des Hauses. »Stimmt, mit so einem Backstein geht's schneller.«
    Kolja klopfte mir auf den Rücken und ging hinein.
    Meine ganze Erfahrung drängte mich, wegzulaufen. Dieser Mann führte uns in eine Falle. Er hatte soeben praktisch gestanden, ein Mörder zu sein. Kolja hatte idiotischerweise preisgegeben, wie viel Geld wir bei uns hatten. Es war nicht viel, aber dreihundert Rubel und zwei Lebensmittelkarten - die der Riese noch bei uns vermutet haben musste - reichten damals ohne weiteres aus, um ermordet zu werden.
    Aber hatten wir eine andere Wahl? Sollten wir etwa zum Narwa-Tor gehen und einen frei erfundenen alten Mann und seinen Hühnerstall suchen? Wir setzten unser Leben aufs Spiel, wenn wir das Gebäude betraten, aber wenn wir nicht bald Eier auftrieben, waren wir sowieso tot.
    Ich folgte Kolja. Die Haustür schloss sich hinter uns. Innen war es düster, weil kein Strom für die Glühbirnen da war und nur ein Rest von Tageslicht durch die Ritzen zwischen den Sperrholzbrettern eindrang, mit denen die Fenster zugenagelt waren. Ich hörte, wie der Riese hinterherkam, und bückte mich, bereit, mein Messer aus der Scheide zu ziehen. Er ging an mir vorbei und stieg, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. Kolja und ich sahen uns an. Als Schwarzbart außer Sichtweite war, holte ich mein deutsches Messer heraus und steckte es in die Manteltasche. Kolja zog die Augenbrauen hoch, möglicherweise beeindruckt von meinem Tun, möglicherweise aber auch spöttisch. Wir gingen die Treppe hinauf, Stufe um Stufe, keuchten aber trotzdem, als wir den zweiten Stock erreichten.
    »Woher bekommen Sie die Eier?«, rief Kolja dem

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