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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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sie sich nicht einmal mehr an mein Gesicht erinnern können.
    »He, du. Bist du der, wo Eier will?«
    Ganz mit meinen mitleiderregenden Fantasievorstellungen beschäftigt, brauchte ich einen Moment, um zu merken, dass die Frage mir galt. Ich drehte mich um und sah einen bärtigen Riesen, der mich anstierte, die Arme vor der Brust verschränkt und auf den Stiefelabsätzen wippend. Er war der größte und breiteste Mann, den ich je gesehen hatte, viel größer als Kolja und doppelt so breit in der Brust. Seine bloßen Hände schienen mächtig genug, um meinen Schädel zu knacken wie eine Walnuss. Sein Bart war dicht und schwarz und glänzte wie geölt. Ich fragte mich, wie viel ein so großer Mann jeden Tag essen musste, wie er es überhaupt schaffte, derart viel Fleisch auf seinen gigantischen Rippen zu haben.
    »Haben Sie Eier?«, fragte ich, zu ihm hochblinzelnd.
    »Was hast du zu bieten?«
    »Geld. Wir haben Geld. Warten Sie, ich hole meinen Freund.«
    Ich rannte zurück über den Heumarkt. Zum ersten Mal, seit ich Kolja kannte, war ich froh, seinen blonden Schopf zu sehen. Er alberte noch immer mit dem krausköpfigen Jungen herum, schilderte ihm vermutlich seinen Traum von einer großen Scheißorgie.
    »Hallo, da ist er ja!«, brüllte er, als er mich sah. »Ich dachte schon, du wärst ohne mich abgehauen.«
    »Da vorn ist ein Mann, der sagt, er hat Eier.«
    »Hervorragend!« Kolja wandte sich an den Jungen. »Mein Sohn, es war mir ein Vergnügen.«
    Wir gingen den Weg zurück, den ich gekommen war, vorbei an den Ständen, die bereits für die Nacht dichtmachten. Kolja reichte mir einen eingewickelten Bücherei-Lebkuchen.
    »Hier, mein Freund. Heute Abend lassen wir es uns schmecken.« »Hat der Junge dir den geschenkt?« »Geschenkt? Er hat ihn mir verkauft.« »Für wie viel?« »Einhundert für zwei.«
    »Einhundert!« Ich blickte finster zu Kolja hoch, der seinen Lebkuchen auspackte, abbiss und angewidert das Gesicht verzog. »Dann haben wir noch dreihundert übrig?«
    »Korrekt. Rechnen sehr gut.«
    »Das Geld war für die Eier.«
    »Wir können schließlich nicht mit leerem Magen auf Eiersuche gehen.«
    Der bärtige Mann wartete am Rand des Heumarkts auf uns, die Arme noch immer verschränkt. Er musterte Kolja scharf, als wir näher kamen, taxierte ihn wie ein Boxer, der seinen Gegner einzuschätzen versucht.
    »Seid ihr nur zu zweit?«
    »Wie viele hätten Sie denn gern?«, fragte Kolja zurück und lächelte den Riesen an. »Wie ich höre, verkaufen Sie Eier.«
    »Ich verkaufe alles. Was habt ihr zu bieten?«
    »Wir haben Geld«, sagte ich, obwohl ich ziemlich sicher war, dass wir das bereits geklärt hatten.
    »Wie viel?«
    »Genug«, sagte Kolja. »Wir brauchen ein Dutzend Eier.«
    Der Bärtige stieß einen Pfiff aus. »Ihr habt Glück. Mehr hab ich auch nicht.«
    »Siehst du?«, sagte Kolja und packte mich bei der Schulter. »War doch gar nicht so schwer.«
    »Folgt mir«, sagte der Riese und überquerte die Straße.
    »Wohin gehen wir?«, fragte ich, während wir ihm folgten.
    »Ich hab alles bei mir daheim. Hier draußen ist nichts sicher. Alle paar Tage kommen Soldaten her, stehlen alles, was sie wollen, und wenn einer was sagt, wird er erschossen.«
    »Nun, die Soldaten sind nun mal dazu da, um die Stadt zu verteidigen«, sagte Kolja. »Wenn sie hungern müssen, können sie nicht kämpfen.«
    Der Riese blickte kurz auf Koljas Militärmantel, seine Armeestiefel.
    »Und warum verteidigst du die Stadt nicht?«
    »Ich bin im Auftrag eines gewissen Obersts unterwegs. Nichts, worüber Sie sich Gedanken machen müssten.«
    »Und der Oberst hat dir und dem Knaben da den Auftrag gegeben, Eier zu besorgen?« Der Riese grinste auf uns herab. Seine Zähne schimmerten in dem schwarzen Bart wie Spielwürfel ohne Punkte. Natürlich glaubte er Kolja nicht. Wer hätte das schon.
    Wir gingen am zugefrorenen Fontanka-Kanal entlang, dessen Eis mit abgelegten Leichen übersät war, einige in Tücher gehüllt, die mit Steinen beschwert waren, andere ihrer warmen Kleidung beraubt, die leeren weißen Gesichter dem sich dunkler färbenden Hi mmel zugewandt. Der allabendlic he Wind kam schon auf, und ich sah, wie das lange blonde Haar einer Frau über ihr Gesicht geweht wurde. Sie war auf ihr Haar einmal stolz gewesen, hatte es zwei Mal in der Woche gewaschen, es vor dem Zubettgehen zwanzig Minuten gebürstet. Nun versuchte es, sie zu schützen, ihren Zerfall vor den Augen von Fremden zu verbergen.
    Der Riese führte uns zu

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