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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Riesen nach, der schon eine Etage über uns war. Der Kerl hatte keine Probleme mit dem Treppensteigen. Er und die Tochter des Obersts waren die fittesten Menschen, die ich seit Monaten in Piter gesehen hatte. Ich fragte mich erneut, woher er diese Energie hatte.
    »Ich kenn da jemand, der arbeitet auf'nem Bauernhof in der Nähe von Mga.«
    »Ich dachte, die Deutschen hätten Mga eingenommen.«
    »Haben sie auch. Aber auch die Deutschen essen gern Eier. Die kommen jeden Tag und schnappen sich alle, die sie finden können, aber mein Freund versteckt immer ein paar. Nicht zu viele, weil die sonst dahinterkommen.«
    Der Riese blieb im vierten Stock stehen und klopfte an eine Wohnungstür.
    »Wer ist da?«
    »Ich bin's«, sagte er. »Mit Kunden.«
    Wir hörten, wie ein Riegel zurückgeschoben wurde, und die Tür ging auf. Eine Frau, die eine Männermütze aus Pelz und eine blutverschmierte Metzgerschürze trug, sah Kolja und mich blinzelnd an und wischte sich mit dem Rücken der behandschuhten Hand die Nase ab.
    »Mich würde interessieren«, sagte Kolja, »wie Sie verhindern, dass die Eier einfrieren. Denn gefrorene Eier nützen uns leider wenig.«
    Die Frau starrte Kolja an, als spräche er Japanisch.
    »Wir legen sie neben den Samowar«, sagte der Riese. »Kommt schon, bringen wir's hinter uns.«
    Er bedeutete uns, hineinzugehen. Die stumme Frau trat zur Seite, um uns vorbeizulassen, und Kolja spazierte ohne zu zögern hinein, völlig unbekümmert, blickte sich lächelnd um, als wäre er gerade in die Wohnung einer neuen Freundin gebeten worden. Ich blieb an der Tür stehen, bis der Riese die Hand auf meine Schulter legte. Er gab mir nicht direkt einen Stoß, aber bei einer Pranke wie seiner war die Wirkung die gleiche.
    Petroleumlampen erhellten die kleine Wohnung, und unsere langen Schatten krochen über die Wände, über die zerschlissenen Teppiche auf dem Boden, den kupfernen Samowar in der Ecke und ein weißes Bettlaken, das am anderen Ende des Zimmers hing - den Schlafbereich abtrennte, wie ich annahm. Als der Riese die Tür zumachte, bauschte sich das Laken wie das Kleid einer Frau im Wind. Unmittelbar bevor es wieder herabfiel, sah ich, was sich dahinter befand - kein Bett, überhaupt keine Möbel, nur große weiße Fleischstücke an Haken, die mit schweren Ketten an einem Heizungsrohr befestigt waren, und darunter auf dem Boden eine Plastikplane, um das herabtropfende Blut aufzufangen. Den Bruchteil einer Sekunde lang dachte ich, es sei ein Schwein, vielleicht versuchte mein Verstand meinen Augen einzureden, dass sie nicht das sahen, was sie da sahen: einen enthäuteten Schenkel, der nur der Schenkel einer Frau sein konnte, den Brustkorb eines Kindes, einen abgetrennten Arm, an dessen Hand der Ringfinger fehlte.
    Ich hatte das Messer in der Hand, bevor ich mir dessen bewusst war - hinter mir bewegte sich etwas, und ich fuhr herum und stieß mit dem Messer um mich, schrie laut, unfähig, Worte zu formulieren, die Kehle wie zugeschnürt. Der Riese hatte ein dreißig Zentimeter langes Stahlrohr aus dem Mantel gezogen; er bewegte sich leichtfüßig von mir weg, viel schneller, als ein so schwerer Mann sein dürfte, wich mühelos dem deutschen Stahl aus.
    Die Frau des Riesen zog ein Hackbeil aus der Schürzentasche. Auch sie war schnell, aber Kolja erwies sich als der Schnellste von uns, drehte sich auf dem Absatz um und versetzte der Frau einen rechten Haken auf die Kinnlade. Sie sackte zu Boden.
    »Lauf«, sagte Kolja.
    Und ich lief. Ich dachte, die Tür sei abgesperrt, doch das war sie nicht; ich dachte, das Stahlrohr des Riesen würde mir den Schädel zertrümmern, doch das tat es nicht; schon war ich draußen im Flur, stürzte die Treppe hinunter, nahm fast im Sprung die ganzen Stufen bis zum nächsten Treppenabsatz. Ich hörte einen lauten Schrei unartikulierter Wut und das dumpfe Aufschlagen der genagelten Stiefel des Riesen auf den Fußbodendielen, als dieser durch das Zimmer stürmte. Ich blieb stehen, die Hand auf dem Geländer, nicht fähig, wieder zu Atem zu kommen, nicht gewillt, weiter wegzulaufen, nicht imstande, die dunkle Treppe zur Wohnung des Kannibalen wieder hinaufzugehen. Ich hörte das furchtbare Geräusch von Stahl, der auf einen Kopf oder Sperrholz trifft.
    Ich war dabei, Kolja zu verraten, ihn im Stich zu lassen, da er unbewaffnet war und ich ein gutes Messer hatte. Ich versuchte meine Füße zu zwingen, sich in Bewegung zu setzen, mich zurück zum Kampfplatz zu tragen, aber ich zitterte

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