Dawning Sun (German Edition)
Nervenzusammenbruch in der Klinik. Sein Vater, der alles versuchte, um ihm nicht die Schuld zu geben, doch das unausgesprochene „Wenn du normal wärst, wäre das nie passiert!“ würde im Raum schweben. Vielleicht würde er von seinem Posten als Stadtkämmerer zurücktreten müssen. Und Sascha, was würde es ihm antun?
Ein unterdrückter Schmerzlaut von Tom holte ihn zurück in die Wirklichkeit.
„Oh Gott, wie schlimm ist es?“, fragte er besorgt.
„Wird schon.“ Tom grinste schief. „Diese Ratten haben mich überrascht. Dürfte nichts gebrochen sein, das fühlt sich anders an, und die paar Prellungen werden heilen.“
Am liebsten hätte Josh ihm Mantel und Shirt vom Leib gerissen, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen. Lediglich die Tatsache, dass sie sich auf offener Straße befanden, hielt ihn zurück.
„Ich hab harte Rippen, und von denen abgesehen haben die mir bloß gegen die Arme getreten.“
Unvermittelt zog Tom ihn an sich und gab Josh einen tiefen Kuss.
„Ich bin stolz auf dich. Du warst der Hammer. Echt. Du hast da gestanden wie ein griechischer Kriegsgott. Du hast gestrahlt wie die Sonne. Gero hätte sich fast in die Hosen gepisst!“
„Jeder kann mit einem Stein winken, das war nichts Heldenhaftes“, versuchte Josh abzuwehren, sobald er wieder zu Atem und Verstand kam.
„Ja, jeder kann eine Waffe halten und sich damit stark fühlen. Du hast sie aber bloß als Drohung wirken lassen und es nicht nötig gehabt, sie einzusetzen. Nico und seine Kriecher wussten, wie gut du zielen und wie hart du werfen kannst. Du hättest sie allesamt schwer verletzen oder umbringen können und hast es nicht getan. Hättest du deine Angst nicht beherrscht, wäre zumindest Jannik jetzt ein Krüppel.“
Tom küsste ihn noch ein weiteres Mal intensiv, bevor er ihn losließ.
„Deine Physikaufgabe war cool“, murmelte er grinsend.
„Ich sollte mal messen lassen, wie viele km/h ich so bringe.“ Josh erwiderte das Grinsen matt. Das Hochgefühl war verflogen. Er wusste, Tom hatte Recht. Zögernd griff er nach Toms Hand und drückte sie fest.
„Lass uns gehen. Ich will es hinter mich bringen.“
26.
Der Kripobeamte, der ihre Anzeige aufnahm, schaute Tom scharf über den Rand des PC-Monitors an. Er war vergleichsweise klein und kräftig gebaut, schien Mitte bis Ende dreißig zu sein, hatte lustige rotblonde Locken und wirkte eher wie ein gut gelaunter Bauarbeiter oder Landwirt als wie ein Polizist.
„Also noch mal, ihr wurdet von vier Schulkameraden angegriffen, Sie, Herr Schneider, wurden getreten und mit einem Messer bedroht, Herr Winkels hat einen Angreifer niedergeschlagen, einen mit einem Stein getroffen und den Rest mit der Drohung von weiteren Steinwürfen verscheucht. Habe ich das alles richtig erfasst?“
Tom spürte, dass der Beamte ihm nicht glaubte. Dessen Blick wanderte zwischen Toms Frisur und seiner martialisch wirkenden Kleidung auf und ab.
Betont gelassen warf er den Mantel ab und zog das Shirt weit genug in die Höhe, um seine malträtierten Rippen zu präsentieren. Glücklicherweise hatten ihn die Tritte an der richtigen Seite erwischt; Tom achtete strikt darauf, dass die linke Hälfte seines Brustkorbs bedeckt blieb. Die drei Bastarde hatten ganze Arbeit geleistet: Deutlich hoben sich die roten Prellmarken ab. Josh zischte neben ihm.
Das Gesicht des Beamten wurde schlagartig ernst.
„Das müssen wir von einem Arzt untersuchen und fotografieren lassen“, sagte er. „Wissen Sie, warum es zu diesem Angriff gekommen ist?“
Josh rührte sich nervös.
„Herr Winkels?“
Bleich, aber gefasst, wies Josh auf den Monitor.
„Es gibt im Netz ein Video“, flüsterte er rau.
„Homo-Bashing am Alex?”, fragte der Polizist sofort. Josh nickte mit gesenktem Kopf.
Der Beamte fluchte, griff zum Telefon und bellte kurz in den Hörer.
„Möchten Sie Ihren Vater anrufen?“, bot er Josh an, der verkrampft verneinte. Tom wurde klar, dass der Mann offenbar wusste, wer Josh war und vielleicht sogar die ganzen Gerüchte kannte. Er nahm Joshs Hand und ließ sie auch dann nicht los, als weitere Beamte in das kleine Büro kamen. Eine ältere Frau namens Fenger schien die Leitung zu haben. Sie wirkte resolut und sehr energisch, mit einer Handbewegung organisierte sie, wer wo sitzen durfte. Vielleicht lag es an dem strengen Zopf, zu dem sie das etwas mehr als schulterlange hellbraune Haar gebunden hatte, dass sie furchterregende Autorität ausstrahlte, denn Tom entdeckte Lachfalten um den Mund und den
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