Dawning Sun (German Edition)
Vibrationsalarm.
Seufzend zog Josh das Handy hervor, nahm allerdings das Gespräch nicht an.
„Meine Mutter“, stieß er hervor. Er schien völlig überfordert von der ganzen Situation. So sehr, dass Tom es nicht ertragen konnte. Kurzentschlossen nahm er Josh das Handy ab.
„Josh, wo bist du?“ Die Stimme der Mutter klang vorwurfsvoll.
„Hier ist Tom. Thomas Schneider. Josh kann gerade nicht telefonieren.“
„Was soll das heißen?“ Der Ton wechselte zu hysterisch.
„Wir sind auf dem Polizeirevier. Es dauert noch eine Weile.“
„Was … warum … Ist er verletzt?“ Das war Sorge. Endlich mal die richtige Emotion!
„Nein, er ist unverletzt.“
„Du lügst doch! Ich will jetzt mit meinem Sohn reden!“, schrie sie plötzlich.
Ratlos ließ Tom das Handy sinken. Josh winkte ab, ohne ihn anzuschauen. Am liebsten hätte Tom das Gespräch einfach weggedrückt. In diesem Moment tippte die Polizeibeamtin ihn an und nahm ihm das Handy ab.
„Frau Winkels? Hier spricht Kriminalhauptkommissarin Vera Fenger. Ihr Sohn und sein Freund müssen noch ihre Aussage beenden. Sie müssen sich keine Sorgen machen.
Nein, wirklich nicht.
Ich versichere Ihnen …
Ja.
Ja, es geht ihm wirklich gut.
Etwa eine halbe Stunde.
Ist recht.“
Frau Fenger verdrehte gereizt die Augen, blieb jedoch geduldig und höflich und wimmelte Joshs Mutter erfolgreich ab.
„Herr Schneider, jetzt müssten wir Sie noch untersuchen“, sagte sie, als sie das Handy in Joshs schlaffe Hände zurückgelegt hatte. „Wenn Sie mitkommen würden?“
Tom wandte sich zu Josh, der sichtlich verstört in seinem Stuhl saß.
„Kann ich dich allein lassen?“, fragte er so leise, dass die Polizisten ihn nicht hören konnten.
Josh nickte und lächelte tapfer. Er war bleich und bebte regelrecht. Sein Blick irrte in alle Richtungen.
„Geh nur“, murmelte er. „Ich glaube, der Schreck kommt gerade so richtig an.“
„Es dauert nicht lange“, sagte Frau Fenger. „Gebt Herrn Winkels mal Kaffee!“
Die Kommissarin nahm Tom resolut mit und schob ihn in einen Raum, wo bereits die Ärztin wartete. Zum Glück gab es bei ihm nicht allzu viel zu untersuchen!
Josh betrachtete die Zeichnungen, die Tom angefertigt hatte.
„Sieht alles richtig aus“, sagte er fahrig. Er konnte sich kaum noch erinnern, über seinen Gedanken lag Nebel. Jemand drückte ihm eine Tasse Kaffee in die Hand. Die Brühe war heiß und stark und schmeckte erstaunlich gut. Die Polizisten unterhielten sich untereinander. Er hörte, dass das Video abgespielt wurde, zwar sehr leise, aber dennoch verständlich. Sie sprachen über Techniker und wen sie zur Turnhalle schicken würden und ob der Staatsanwalt sich inzwischen gemeldet hätte. Das alles betraf ihn unmittelbar. Sich dafür zu interessieren war ihm völlig unmöglich.
Erst als Tom zurückkam, konnte er aufatmen. Er scherte sich nicht darum, wer alles zusah, schaffte es lediglich noch, die Tasse konzentriert abzustellen und langsam aufzustehen, statt hektisch über den Schreibtisch zu springen. Als er endlich in seinen Armen lag, wurde Josh schlagartig ruhiger. Tom musste spüren, wie aufgewühlt er war, er hielt ihn fest und sicher und ließ ihn nicht los, als er ihn zum Stuhl dirigiert hatte, sondern zog ihn zu sich auf den Schoß. Tom übernahm es auch, das Aussageprotokoll gegenzulesen und zu unterzeichnen. Keiner der Beamten schien sich daran zu stören, wofür Josh wirklich dankbar war.
Die Tür ging auf, ein junger Polizist schaute herein.
„Da ist ein Herr Winkels, der nach seinem Bruder fragt.“
Bei ‚Herr Winkels’ war Josh übel geworden, doch sein Bruder war ihm willkommen. Sascha kam und legte ihm eine Hand auf die Schulter, ohne einen schrägen Blick oder ein Wort darüber, auf wessen Schoß sich Josh gerade befand. Im Gegenteil, er nickte Tom freundlich zu.
Sascha, Tom und die Beamten besprachen irgendwas. Er musste aufstehen, man schüttelte ihm die Hand, führte ihn hinaus. Alles rauschte an ihm vorbei, ohne durch den Nebel zu dringen, der sich über sein Bewusstsein gelegt hatte.
Erst, als er im Wagen ihres Vaters saß, kam Josh wieder zu sich. Sascha fuhr, Tom saß neben ihm auf der Rückbank. Irgendetwas daran war nicht richtig.
„Wo ist Papa?“, fragte er.
„Zuhause.“ Sascha seufzte schwer. „Mama hat einen Nervenzusammenbruch oder so etwas erlitten, na, wohl eher einen hysterischen Anfall, nachdem die Kommissarin mit ihr gesprochen hatte. Papa hat sie in Bett gepackt und einen Arzt gerufen.“
Ich will da nicht
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